DJ Lane: EZB muss sich auf verschiedene Inflationsszenarien einstellen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) muss sich nach den Worten ihres Chefvolkswirts Philip Lane auf das Risiko sowohl zu hoher als auch zu niedriger Inflationsraten einstellen. Lane sagte bei einer Vorlesung in Paris: "Einerseits sollten wir dafür sorgen, dass unsere Geldpolitik angepasst wird, wenn die Inflationserwartungen nicht mehr verankert sind, wenn sich die Aufholjagd bei den Löhnen verstärkt oder wenn sich die Angebotskapazität nachhaltig verschlechtert und die Inflation mittelfristig über dem Zielwert zu bleiben droht."
Andererseits müsse die EZB aber auch voll und ganz darauf vorbereitet sein, ihre Geldpolitik entsprechend zu ändern, wenn der Energiepreisschock und der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einer erheblichen Verschlechterung der makroökonomischen Aussichten führen und dadurch die mittelfristigen Inflationsaussichten schwächen sollte.
Lane, der als ausgesprochene "geldpolitische Taube" gilt, ist weiterhin optimistisch, dass die derzeit hohe Inflation nicht von Dauer sein wird. "Selbst wenn die Energiepreise ... in der Nähe des derzeitigen Niveaus bleiben sollten, fällt die Niveauverschiebung bei der Inflationsberechnung im Laufe der Zeit mechanisch weg", sagte er.
Ebenso dürften die relativen Preisverwerfungen im Zusammenhang mit Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage abnehmen, wenn zusätzliches Angebot verfügbar werde und sich die Nachfrageschübe normalisierten. Andererseits hält Lane es aber für plausibel, dass die mittelfristige Inflation nicht wieder auf unter 2 Prozent sinken wird.
Die EZB müsse genau die Entwicklung der Inflationserwartungen beobachten, weil die derzeitige lang anhaltende Phase weit über dem Ziel liegender "Spot-Inflationsraten" einige Wirtschaftsakteure dazu veranlassen könnte, ihre kurz- und mittelfristigen Inflationserwartungen weiter nach oben zu korrigieren.
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March 31, 2022 05:13 ET (09:13 GMT)
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