DJ MARKT-AUSBLICK/DAX dürfte zunächst weiter seitwärts handeln
Von Manuel Priego-Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Die breite Seitwärtsspanne im DAX zwischen 14.000 und 15.000 Punkten dürfte den Anlegern bis auf Weiteres erhalten bleiben. Die Ankündigung der US-Regierung, die strategischen Ölreserven anzuzapfen sollte die Ölpreise deckeln, was sowohl für die Börsen als auch die Wirtschaft positiv ist. Wie eine Damoklesschwert über den Märkten hängt allerdings ein möglicher Stopp russischer Gaslieferungen nach Europa. In diesem Fall droht eine Stagflation mit den entsprechenden negativen Konsequenzen für die Aktienmärkte.
Es war eine der seltenen guten Nachrichten in diesen Tagen: Die US-Regierung hat angekündigt für sechs Monate dem Markt täglich 1 Million Barrel an Öl bereit zu stellen. "In diesem Fall wäre der Ölmarkt im zweiten Quartal nicht mehr unterversorgt und im dritten Quartal sogar überversorgt, wenn man die aktuellen Prognosen der IEA zu Angebot und Nachfrage zurate zieht", so die Commerzbank. Der WTI-Ölpreis notiert mit knapp 100 Dollar daher wieder klar unter den Jahreshochs.
Ab April nur noch Rubelzahlungen für Gas möglich
Wäre da nicht die Sache mit dem russischen Gas: Moskau hat angekündigt, ab April Zahlungen für Gaslieferungen nur noch in Rubel zu akzeptieren. Das stellt Europa vor ein Dilemma. Lehnt man die Forderungen ab, droht Russland den Gashahn zu zudrehen. Während der Ausfall russischer Öllieferungen verkraftbar ist, ist das bei Gas nicht der Fall. Die EU bezieht 45 Prozent ihrer Erdgasimporte aus Russland, Deutschland sogar etwas mehr als die Hälfte.
"Ein Ersatz russischer Erdgaslieferungen aus anderer Quelle ist kurzfristig allenfalls teilweise möglich", befindet die Commerzbank. Eine völlige Unterbrechung russischer Lieferungen hätte somit beträchtliche Folgen für die deutsche Wirtschaft. Rationierungen wären wahrscheinlich. Gemäß dem "Notfallplan Gas" für Deutschland zählen Haushalte und die Fernwärmeversorgung zu den besonders geschützten Kundengruppen. Das sind schlechte Nachrichten für die Industrie - BASF-Chef Martin Brudermüller hat bereits vor einer Insolvenzwelle gewarnt.
Anleger setzen weiter auf Verhandlungslösung
Die in der kommenden Woche anstehenden Daten zur deutschen Industrieproduktion sind bereits jetzt Makulatur, zeichnen sie doch weitgehend ein Bild von vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Bei einem Stopp der Gaslieferungen würden sich die Daten aber nicht nur eintrüben, es droht vielmehr ein Absturz der Wirtschaft in die Stagflation. Ein Börsencrash stünde zu erwarten. Zahlungen sind aber offenbar erst ab Mitte April, teilweise wohl erst im Mai fällig - es bleibt also eine Gnadenfrist.
Ob Präsident Putin seine Gas-Drohung wahr macht oder nicht, weiß vermutlich nur Putin selbst. Bis dahin wird an der Börse vermutlich das Prinzip Hoffnung weiter regieren. Die Anleger setzen darauf, dass es zu einer Verhandlungslösung zwischen Russland und der Ukraine kommen wird. Eine solche würde eine Rally an den Börsen auslösen. Zwar scheinen sich beide Seiten in vielen Punkten näher gekommen zu sein, noch gibt es aber keine Einigung, und es ist völlig unklar, ob und wann es eine solche geben wird.
Lockdown in Teil Chinas verschärft Lieferkettenprobleme
Ungemach droht aber nicht nur seitens Russland. Der Lockdown in Schanghai wird die Lieferkettenproblematik weiter verschärfen und die Inflation zusätzlich in die Höhe treiben. Schanghai ist aus wirtschaftlicher Sicht die wichtigste Region des chinesischen Festlandes. Laut der Commerzbank deuten die Verkehrszahlen darauf hin, dass die wirtschaftliche Aktivität bereits vor dem Lockdown deutlich nachgelassen hat. Ein Ende der Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung ist derweil wegen des schlecht ausgestatteten Gesundheitssystems nicht zu erwarten.
Angesichts des bestehenden Umfelds ist es erstaunlich, dass sich die Börsen weiter in sehr luftigen Höhen bewegen. Neben dem Prinzip Hoffnung dürfte ein Grund dafür sein, dass bislang systemische Kollateralschäden wie dies nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers der Fall war, bislang ausgeblieben sind. Die regulatorischen Verschärfungen in den vergangenen Jahren zahlen sich also in einer erhöhten Stabilität aus. Kurzfristig Unterstützung für die Börsen bietet auch die bald beginnende Dividendensaison - die DAX-Ausschüttungen sollen knapp 50 Prozent höher ausfallen.
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April 01, 2022 05:49 ET (09:49 GMT)
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