DJ Scholz: Abhängigkeit von Russland nicht von einem Tag auf den anderen zu beenden
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Forderungen nach einem sofortigen Ausstieg aus allen russischen Energielieferungen zurückgewiesen. "Diese Abhängigkeiten sind über Jahrzehnte gewachsen, und sie lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen beenden", sagte Scholz bei einer Regierungsbefragung im Bundestag. Es sei sehr wichtig, dass der Kurs dazu in Europa gemeinsam abgesteckt werde. Es gehe nicht nur darum, neue Vertragspartner zu finden, sondern langfristig auch darum, eine Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen zu organisieren.
Nun sollten mit großer Geschwindigkeit Kapazitäten für Flüssiggas aufgebaut und die Importkapazitäten für Kohle, Öl und Gas würden "mit nie gekannter Geschwindigkeit" umgestellt werden. "Mit dem Osterpaket zeigen wir, was wir vorhaben", sagte Scholz mit Blick auf den vom Kabinett beschlossenen Gesetzesplan zum Ausbau erneuerbarer Energien. "Jetzt erst recht werden wir uns unabhängig machen von der Nutzung fossiler Ressourcen", hob der Bundeskanzler hervor. Einen längeren Einsatz von Kernkraft lehnte er als "Milchmädchenrechnung" ab.
Scholz zeigte sich im Bundestag "tief erschüttert" von den "entsetzlichen Bildern" aus der ukrainischen Stadt Butscha. "Russische Soldaten haben dort vor ihrem Rückzug ein Massaker an ukrainischen Zivilisten verübt", sagte er. Die Ermordung von Zivilisten sei ein Kriegsverbrechen. "Die von Russland verbreitete zynische Behauptung, es handele sich bei diesem Thema um eine Inszenierung, fällt auf diejenigen zurück, die diese Lügen verbreiten." Die Täter und ihre Auftraggeber müssten "zur Rechenschaft gezogen werden".
Erneut forderte Scholz den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu auf, den Krieg sofort zu beenden. "Ziehen Sie Ihre Truppen aus der Ukraine ab", sagte er. Der Kanzler bekräftigte, die Sanktionen gegen Russland sollten weiter verschärft werden. "Mit allen Entscheidungen, die wir treffen, werden wir sicherstellen, dass die Nato-Partner keine Kriegspartei werden", hob er hervor.
Die von der Regierung eingeleiteten Waffenlieferungen an die Ukraine sollten fortgesetzt werden. "Alles das, was sinnvoll ist und schnell wirkt, das wird geliefert", sagte Scholz zu. Ein Frieden in der Ukraine dürfe "nicht auf einen Diktatfrieden hinauslaufen", forderte er zudem. Die mit Fragen einer ukrainischen Neutralität zusammenhängenden Sicherheitsgarantien seien "noch nicht ausbuchstabiert". Deutschland befinde sich darüber aber in vertraulichen Gesprächen.
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April 06, 2022 08:05 ET (12:05 GMT)
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