DJ EZB-Chefvolkswirt äußert sich neutral zum weiteren Kurs
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Philip Lane, hat sich neutral zum weiteren geldpolitischen Kurs der EZB geäußert. In einer Podiumsdiskussion des Delphi Economic Forum sagte Lane, dass die EZB entsprechend den hereinkommenden Daten handeln werde. Er gab außerdem zu erkennen, dass er damit rechnet, dass die widerstreitenden Kräfte einer Inflation auf der einen und einer kriegsbedingt hohen Unsicherheit auf der anderen Seite den EZB-Rat noch lange Zeit beschäftigen werden.
Lane wies darauf hin, dass die hohen Energiepreise einen sogenannten Angebotsschock darstellten, deren Wirkungen mit der Zeit abnehmen sollte, und auf den die EZB nicht überreagieren dürfe. "Es gibt aber eine Einschränkung: Wenn das Risiko von Zweitrundeneffekten besteht, bei denen die aktuell hohen Preise zu einer Veränderung der Inflationserwartungen, des Preissetzungsverhaltens und des Lohnverhaltens führen, dann wäre es wichtig, Handlungsbereitschaft zu signalisieren", sagte Lane. Es sei wichtig, dann auch nicht zu schwach zu reagieren.
Laut Lane hat sich der EZB im März auf folgendes geeinigt: "Wenn der Inflationsdruck so bleibt, dass wir denken, dass die Inflation mittelfristig auf 2 Prozent sinkt, dann wäre es natürlich, die Politik der quantitativen Lockerung im Sommer, also im dritten Quartal, zu beenden." In diesem Szenario kehre die Inflation nicht wieder auf das niedrige Niveau von vor der Pandemie zurück.
Zugleich habe der EZB-Rat gesagt: "Wenn sich der Inflationsausblick inmitten der hohen Unsicherheit eines Krieges abschwächt, behalten wir uns vor, die quantitative Lockerung fortzuführen, weil die Situation eine Normalisierung noch nicht erlaubt." Auch die Möglichkeit einer höheren Inflation müsse die EZB berücksichtigen.
"Wir werden Meeting für Meeting versuchen, diese widerstreitenden Kräfte zu vergleichen", sagte Lane. Den Menschen müsse klar sein, dass die Maßnahmen der EZB davon abhingen, wie sich die Daten entwickelten.
Die "Falken" in dem Gremium, wie Joachim Nagel (Deutschland) und Pierre Wunsch (Belgien) wollen eine möglichst rasche Zinsanhebung. Dazu müsste der Rat das Ende der Nettoanleihekäufe vorziehen. EZB-Direktor Fabio Panetta, eine geldpolitische "Taube", sprach sich für ein besonders behutsames Vorgehen aus.
Gegenwärtig stellt der EZB-Rat eine erste Zinserhöhung für "einige Zeit" nach dem Ende der Nettoanleihekäufe in Aussicht. Dies könnte - muss nach der aktuellen Beschlusslage aber nicht - im September kommen. Der EZB-Rat berät am 13./14. April über das weitere Vorgehen.
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April 06, 2022 08:20 ET (12:20 GMT)
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