DJ IWF fordert Zentralbanken zu entschlossenem Handeln auf
Von Hans Bentzien
FRANKFURT/WASHINGTON (Dow Jones)--Die Zentralbanken der fortgeschrittenen Volkswirtschaften stehen nach Aussage des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor der schwierigen Aufgabe, einerseits ihre Geldpolitik wegen der hohen Inflation straffen zu müssen, andererseits aber die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie nicht abzuwürgen. So würden auch Risiken für die Finanzstabilität eingedämmt. Gleichwohl plädiert der IWF an die Zentralbanken, ihre Geldpolitik entschlossen zu straffen und dabei ihre Bilanzen so schnell wie möglich zu verkleinern. Die US-Notenbank warnt der IWF allerdings davor, dabei einen zu starken Anstieg der langfristigen Realzinsen zuzulassen.
"Da die Inflation in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften hartnäckig hoch bleiben und deutlich über dem Zielwert liegen dürfte, sollten die Zentralbanken entschlossen handeln, um zu verhindern, dass sich der Inflationsdruck verfestigt und die Inflationserwartungen verschlechtern", heißt es im Globalen Finanzstabilitätsbericht des IWF.
"Wahrgenommene" Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit verhindern
Laut IWF sollten die Zentralbanken "entschlossen vorgehen, um jede wahrgenommene Beeinträchtigung ihrer Glaubwürdigkeit zu verhindern". Dabei sollten sie aber klare Vorgaben für den Normalisierungsprozess sowohl hinsichtlich der Leitzinsen als auch der Rückführung der Wertpapierkäufe machen. "Angesichts der nach wie vor beträchtlichen akkommodierenden Maßnahmen (auf die die immer noch deutlich negativen Realzinsen in vielen Ländern hindeuten) könnten die politischen Entscheidungsträger ein schnelleres Tempo der Bilanznormalisierung in Betracht ziehen, um die gewünschte Straffung der finanziellen Bedingungen zu erreichen", rät der IWF.
Allerdings müsse der Normalisierungsprozess datenabhängig bleiben und je nach der Entwicklung der Wirtschafts- und Inflationsaussichten sowie der Marktbedingungen, die bereits durch den Krieg in der Ukraine beeinträchtigt würden, neu kalibriert werden.
Mit Blick auf US-Notenbank und Europäische Zentralbank (EZB) hat der IWF unterschiedliche Anmerkungen. Die EZB weist er auf den Anstieg der Spreads südeuropäischer Staatsanleiherenditen hin. "Das unterstreicht das Risiko einer Fragmentierung im Euroraum", schreibt er. Allerdings rät er der EZB nicht dazu, ein neues Instrument zur Spread-Begrenzung zu entwerfen, das manche Beobachter erwarten. Vielmehr verweist er auf Pläne für eine expansivere Finanzpolitik auf europäischer Ebene.
Gesamtausmaß der Fed-Straffung könnte neu bepreist werden
Die US-Notenbank dagegen warnt der IWF davor, einen zu starken Anstieg der langfristigen Realzinsen zuzulassen. Zwar preisten die Märkte für 2022 eine stärkere geldpolitische Straffung ein, als die Mitglieder des Offenmarktausschusses FOMC selbst prognostizierten, doch bestehe immer noch das Risiko, dass das Gesamtausmaß der geldpolitischen Straffung neu bepreist werde, schreibt der IWF. "Historisch gesehen tendieren die langfristigen Zinssätze, sobald die Straffung in Gang gekommen ist, schließlich zu einem Anstieg."
Ein solcher Anstieg kann laut IWF, besonders wenn er von den realen Zinssätzen angetrieben werde, zu einer plötzlichen Neubewertung von Risiken führen, was wiederum Wachstumsaussichten beeinträchtigen könne. "Die Zinsstrukturkurve der US-Treasuries ist seit Jahresbeginn deutlich verflacht, und bestimmte Segmente der Kurve sind invertiert, was Berichten zufolge Sorgen hinsichtlich des Wachstumsausblicks spiegelt", merkt der IWF an.
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April 19, 2022 10:30 ET (14:30 GMT)
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