
DJ Stabilitätsrat: Finanzierungsdefizit bis 2025 über EU-Obergrenze
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Stabilitätsrat von Bund und Ländern hat eine erwartete Überschreitung der zulässigen europäischen Defizitobergrenzen durch Deutschland bis 2025 als zulässig eingestuft. "Der Stabilitätsrat erwartet, dass in den Jahren 2022 bis 2025 die europäische Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizit überschritten wird", erklärte das Gremium, das in Berlin unter dem Vorsitz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und der rheinland-pfälzischen Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) tagte.
Dies sei 2022 zulässig, weil die Ausweichklausel des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch in diesem Jahr aktiviert bleibe. Unter Zugrundelegung der Jahresprojektion zur Gesamtwirtschaft könnte der Staatshaushalt im laufenden Jahr mit einem strukturellen Finanzierungsdefizit von rund 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) abschließen. Nach Einschätzung des Stabiliätsrates werde sich "das Defizit in den Folgejahren abbauen, sodass Deutschland im Jahr 2026 die strukturelle Defizitobergrenze von maximal 0,5 Prozent des BIP wieder einhält."
Lindner betonte, "dass wir uns möglicherweise in der größten Krise Europas nach dem zweiten Weltkrieg befinden". Die Erholung nach der Coronavirus-Pandemie werde durch den Krieg "verzögert, möglicherweise sogar zerstört". Lindner verwies auf gestörte Lieferketten und hohe Preissteigerungen und sprach von einer "erheblichen Herausforderung". Umso mehr sei in dieser Situation Stabilität notwendig. "Wir verzichten auf Steuererhöhungen, sondern arbeiten an Steuerentlastungen", betonte der Finanzminister. Zudem wolle Deutschland 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten.
Noch nicht eingerechnet seien allerdings der am Vortag vorgestellte Ergänzungshaushalt und die neue Wachstumsprognose der Regierung. "Weitere wirtschaftliche Unsicherheiten bestehen natürlich in diesem Jahr vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der Inflation", räumte Lindner ein.
Ahnen betonte, auf Basis der haushaltspolitischen Leitlinien der EU-Kommission vertrete der Stabilitätsrat die Auffassung, "dass die Überschreitung bis 2025 ebenfalls zulässig ist". Allerdings seien die neuen Belastungen aus dem Ukraine-Krieg "aktuell noch kaum abschätzbar". Der Stabilitätsrat sei deshalb der Ansicht, dass für 2022 weiterhin eine außergewöhnliche Notsituation mit Blick auf die Schuldenbremse festgestellt werden könne.
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April 28, 2022 09:52 ET (13:52 GMT)
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