DJ GdW: Viele Wohnungsbau- und Klimaschutzprojekte vor dem Aus
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die anhaltende Krisensituation durch den Ukraine-Krieg, die Lieferkettenprobleme infolge der Coronavirus-Pandemie und die enormen Kostensteigerungen bei Bau- und Energieprodukten wirken sich laut einer Umfrage massiv auf den bezahlbaren Wohnungsbau aus. 64 Prozent der sozial orientierten Wohnungsunternehmen in Deutschland müssten Neubauprojekte zurückstellen, und 24 Prozent sähen sich gezwungen, den geplanten Bau neuer Mehrfamilienhäuser komplett aufzugeben, erklärte der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW auf Basis einer Umfrage unter seinen Mitgliedern.
Ähnlich dramatisch sei die Lage bei Modernisierungsprojekten: 67 Prozent der Wohnungsunternehmen müssten den klimaschonenden und altersgerechten Umbau ihrer Wohnungen auf Eis legen, rund 13 Prozent müssten ihn ganz aufgeben. "Unter den katastrophalen Bedingungen können die sozial orientierten Wohnungsunternehmen derzeit nicht einmal ihre bereits begonnenen Projekte fertig stellen", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. "Der bezahlbare Wohnungsbau, die Regierungsziele von 400.000 Wohnungen jährlich und die Klimaziele bei Gebäuden sind aus derzeitiger Sicht Makulatur, wenn sich nicht sehr schnell etwas ändert."
Die massiven Preissteigerungen beträfen allein bei den sozial orientierten Wohnungsunternehmen beim Neubau aktuell rund 58.000 Wohnungen, bei der altersgerechten und klimaschonenden Modernisierung rund 92.000 Wohnungen und bei der Instandhaltung sogar mehr als 1,5 Millionen Wohnungen. "Wohnungsbau und Modernisierung sind für die Wohnungsunternehmen absolut unkalkulierbar geworden", sagte Gedaschko. Das liege nicht allein an den globalen Krisensituationen. "Dies ist ein Weckruf an die Politik. Die Regierung muss die dramatische Lage bei Bau und Modernisierung erkennen und schnell wirksame Rahmenbedingungen schaffen", so der GdW-Präsident.
Mehrere Krisenfaktoren wirkten derzeit wie ein "Abwärts-Turbo" für Bau- und Modernisierung: Zinsen und Baukosten würden bis Jahresende gleichzeitig deutlich ansteigen, bei einigen Produkten würden durch die Mangellage und Lieferkettenprobleme weitere explosionsartige Preisanstiege erwartet - so zum Beispiel bei den in Wärmepumpen und mittlerweile fast allen Geräten verbauten Halbleitern. Anstatt weitere Hindernisse für den bezahlbaren Wohnungsbau zu schaffen, müsse die Politik endlich umsteuern: Es dürften keine neuen Regulierungen geschaffen werden, die in der jetzigen Situation Bauplanungen weiter verzögerten oder Produkte weiter verteuerten. Bei Anforderungen an Gebäude sei deutlich mehr Flexibilität für alternative Lösungen nötig.
Dringender denn je sei es zudem, "das Förderchaos beim klimaschonenden, bezahlbaren Bauen zu beenden". Das "Fiasko" rund um die KfW-Förderung habe jetzt schon Verzögerungen von bis zu zwölf Monaten bei Bau und Modernisierung verursacht, die nicht mehr aufzuholen sind. Mit jedem Tag ohne ein planbares Fördersystem vergrößere sich die Bau- und Modernisierungslücke weiter. "Wenn das so weitergeht, werden 2023 und 2024 verlorene Jahre für das bezahlbare Bauen und Wohnen in Deutschland", sagte Gedaschko.
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May 09, 2022 07:12 ET (11:12 GMT)
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