DJ Industrie steht grundsätzlich hinter dem Energiesicherungsgesetz
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Wirtschaftsverbände halten die von der Bundesregierung geplante Novelle des Energiesicherungsgesetztes für grundsätzlich richtig, um die Energieversorgung im Krisenfall so weit wie möglich zu gewährleisten. Allerdings seien noch Nachbesserungen im Gesetzestext nötig, um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Dazu gehörten Klarstellungen zu möglichen Enteignungen und höhere Bußgelder, wie Vertreter der Industrieverbände erklärten.
Die geplante Novelle des Energiesicherungsgesetztes aus dem Jahr 1975 sieht die Möglichkeiten der staatlichen Treuhandverwaltung von Unternehmen der kritischen Energieinfrastruktur und im klar definierten Extremfall ihre Enteignung vor. Außerdem soll mit dem Gesetz die europäische Solidarität gestärkt sowie eine digitale Plattform geschaffen werden, die eine bessere Steuerung der Gasreduktion bei Unternehmen erlauben soll.
DIHK: Bundestag sollte Enteignung zustimmen
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bemängelte, dass noch mehrere Bestimmungen des Gesetzentwurfs unklar seien und zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würden. "Dazu gehören insbesondere die Verfahren für die treuhänderische Verwaltung und Enteignung. Eingriffe in Eigentum sollten immer nur im absoluten Notfall erfolgen, wenn kein milderes Mittel mehr zur Verfügung steht", sagte der DIHK in einer schriftlichen Stellungnahme. Daher sei aus Sicht des DIHK eine Kontrolle durch den Bundestag wünschenswert.
Auch sollte laut DIHK klargestellt werden, dass die Belange der Unternehmen angemessen berücksichtigt werden. In seiner Gesamtheit sollte das Gesetz daher den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stärker beachten. "Schließlich ist es im Krisenfall für die Versorgung des Landes existenziell, dass lebensnotwendige Güter weiter hergestellt werden können", so der DIHK.
Bundesnetzagentur: Preisanpassungen im Notfall nötig
Die Bundesnetzagentur hält das geplante Preisanpassungsrecht in absoluten Notlagen für "zwingend" notwendig, um bei erheblich geringeren Gasimporten nach Deutschland die Gaslieferketten aufrecht zu erhalten.
"Es wird auf diese Weise verhindert, dass der Markt kaskadenartig zusammenbricht und damit die Versorgungssicherheit in Gefahr gerät", erklärte die Bundesnetzagentur.
Denn inzwischen sei "nicht auszuschließen, dass es zu einem weitgehenden bis vollständigen Ausfall von Gaslieferungen aus Russland kommen könnte", warnte die Bundesnetzagentur. Auf diese Angebotsverknappung bei grundsätzlich gleichbleibender Nachfrage zu vertraglich vereinbarten festen Preisen würden dann sehr hohe Beschaffungspreise treffen.
"Wenn sie (die Gasimporteure) die durch den Gaslieferungsausfall verursachten hohen Einkaufspreise nicht an ihre Kunden weiterreichen können, droht ihre Zahlungsunfähigkeit", warnte die Bundesnetzagentur. Gasimporteure sollten diese Preisanpassung allerdings auf die maximalen Kosten der Ersatzbeschaffung von Gas beschränken.
Netzbetreiber fordern höhere Bußgelder
Auch die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) sehen die Novellierung des Energiesicherheitsgesetzes wegen der aktuellen Krisensituation im Energiebereich als "absolut notwendig" an. Allerdings gibt es auch hier ein paar Kritikpunkte.
So sei die geplante digitale Plattform ein zentrales und exklusives Instrument, um im Fall einer Gasmangellage die Gasversorgung nach volkswirtschaftlichen und anderen politischen Kriterien zu steuern. Allerdings sollte die maximale Höchstgrenze der Bußgelder von bis zu 25.000 Euro überdacht werden.
"Es scheint angesichts der derzeitigen Marktlage und der zur Diskussion stehenden wirtschaftlichen Auswirkungen von Reduzierungen von Gasmengen für die energieintensive Industrie fraglich, ob diese Summe für große Unternehmen ein Motiv ist, den Anweisungen der Behörde Folge zu leisten und abschreckend wirkt", erklärte der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) in einer schriftlichen Stellungnahme.
Außerdem seien für den Fall einer nötigen bundesweiten Gasreduktion die rechtliche Abgrenzung und das Zusammenspiel zwischen den netzstabilisierenden Maßnahmen der Fernleitungsbetreiber und den Maßnahmen des Bundeslastverteilers im Gesetz noch nicht ausreichend klar geregelt. Daher sei es "dringend geboten, den rechtssicheren, zügigen Übergang der Verantwortung an die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler und damit auch der Haftung in dem aktuellen Gesetzesentwurf zu verankern", heißt es in der Stellungnahme.
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May 09, 2022 10:59 ET (14:59 GMT)
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