DJ Steuerschätzer sehen bis 2026 Mehreinnahmen von 220,4 Milliarden Euro
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der deutsche Fiskus kann in den nächsten Jahren mit deutlich höheren Steuereinnahmen rechnen als bisher angenommen, der Bund hat aber nach Aussagen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen der noch zu finanzierenden Entlastungspakete keinen zusätzlichen Finanzspielraum. Insgesamt dürften bis einschließlich 2026 rund 220,4 Milliarden Euro mehr in der Staatskasse landen als noch im November 2021 erwartet. Das Finanzministerium erklärte, die Fortsetzung der Erholung am Arbeitsmarkt sowie die im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringere Kurzarbeit schlügen sich in den Lohnsteuereinnahmen nieder.
"Die aktuelle Steuerschätzung kommt in einer Phase hoher Unsicherheit", betonte Lindner aber. "Die aktuelle Steuerschätzung kann daher nur eine Momentaufnahme sein." Der überwiegende Teil der Mehreinnahmen werde an die Menschen zurückgegeben. "Die Steuerschätzung konnte diese Entlastungen nicht berücksichtigen", hob Lindner hervor. "Es gibt jedenfalls keinen Anlass und auch keinen Spielraum für neue Ausgabenprogramme." Es gebe "keinen Anlass für Jubelmeldungen" und keinen Grund für eine Veränderung der Budgetplanung für 2022, betonte er bei einer Pressekonferenz. Sollte es später Spielräume geben, gehe "Konsolidierung vor zusätzlichem Konsum".
Dieses Jahr können Bund, Länder und Gemeinden nach der Kalkulation mit 40,4 Milliarden Euro mehr rechnen als im November angenommen. Kommendes Jahr können sie dann zusätzliche 46,3 Milliarden Euro einrechnen und 2024 rund 45,6 Milliarden Euro mehr. Für die beiden Folgejahre soll es dann Mehreinnahmen gegenüber der bisherigen Prognose geben von 44,0 Milliarden Euro 2025 und 44,1 Milliarden Euro 2026. Dem Bund allein winken dieses Jahr um 16,9 Milliarden Euro höhere Steuereinnahmen als erwartet, im nächsten Jahr sollen es dann 19,7 Milliarden mehr sein.
Insgesamt sollen die Steuereinnahmen 2022 gegenüber dem Vorjahr um 6,7 Prozent auf 889,3 Milliarden Euro und 2023 um 4,4 Prozent auf dann 928,4 Milliarden Euro steigen. Im November hatten die Schätzer mit Einnahmen von 848,9 Milliarden Euro in diesem Jahr gerechnet. Für die nachfolgenden Jahre veranschlagen die Experten jährliche Steigerungsraten zwischen 3,9 und 3,4 Prozent. Im Jahr 2026 sollen die Einnahmen nach ihren Berechnungen mit knapp 1,032 Billionen Euro erstmals über der Billionen-Grenze liegen.
Lindner betonte, die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges seien nach wie vor nicht absehbar. Energie und Rohstoffe hätten sich seit Kriegsbeginn noch einmal drastisch verteuert, und die Entwicklung der Zinsausgaben sei ungewiss. Außerdem spüren man nach wie vor die Auswirkungen der Pandemie. An Mehreinnahmen, die sich aus der gestiegenen Inflation ergeben, dürfe der Staat sich aber nicht bereichern. Daher werde er "im Herbst einen Vorschlag vorlegen, um die Wirkungen der kalten Progression auszugleichen".
Dem Arbeitskreis Steuerschätzung, der die Zahlen berechnete, gehören Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen sowie Experten von Verbänden, Wirtschaftsforschungshäusern und Behörden an. Diese berechnen jedes Jahr im Frühjahr und Herbst die zu erwartenden Steuereinnahmen. Die Prognosen bilden dann die Grundlage für die weiteren Haushaltsplanungen der Regierung.
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May 12, 2022 09:14 ET (13:14 GMT)
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