DJ Creditreform: Zinswende macht "Nachholinsolvenzen" wahrscheinlicher
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Das Insolvenzgeschehen in Westeuropa ist nach Aussage von Creditreform weiterhin von den im Zuge der Corona-Pandemie aufgelegten Hilfsprogrammen geprägt. Wie der Verband der Vereine Creditreform in seinem Bericht für 2021 schreibt, lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen unter dem Niveau von 2020 und deutlich niedriger als 2019, was unangenehme Spätfolgen haben könne.
"Je länger die staatlichen Subventionen für die Unternehmen anhalten, desto wahrscheinlicher wird das Entstehen von Zombie-Unternehmen, die nur noch unter diesen speziellen Bedingungen überleben können", warnte Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, bei der Vorlage des Berichts.
Veränderungen wie beispielsweise eine Zinswende und ein Auslaufen der Hilfsmaßnahmen könnten den Druck auf die Unternehmensstabilität erheblich verschärfen. Eine Nachholinsolvenzwelle werde dann wahrscheinlicher. Creditreform zufolge wurden 2021 in der EU-14 sowie in Norwegen, der Schweiz und Großbritannien 110.451 (2020: 116.446) Unternehmensinsolvenzen registriert - ein Rückgang von 5,1 Prozent und 31,9 Prozent weniger als 2019.
Laut Creditreform gibt es bereits Anzeichen für eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens in einigen Ländern. So verzeichneten Dänemark, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Italien und die Schweiz Anstiege der Insolvenzzahlen. In vielen Ländern nahmen die Insolvenzen dagegen erneut ab - so beispielsweise in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden.
Nach Wirtschaftsbereichen lassen sich laut Creditreform stärkere Rückgänge im Handel (minus 10,1 Prozent) und im verarbeitenden Gewerbe (minus 8,5 Prozent) feststellen. Dagegen lagen die Insolvenzzahlen im Baugewerbe etwas höher als im Vorjahr (plus 1,2 Prozent). Um knapp 4 Prozent gingen die Zahlen im Dienstleistungssektor zurück.
"Trotz der offensichtlichen Krisenbetroffenheit von Handel und Gastgewerbe während der Corona-Zeit spiegelt sich das im Insolvenzgeschehen nicht wider", erläuterte Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform Österreich. Der Anteil dieses Wirtschaftssektors an allen Insolvenzen sei aktuell mit 28,5 Prozent deutlich niedriger als vor der Corona-Krise (2019: 31,5 Prozent). "Diese Entwicklung lässt sich nur mit Sondereffekten der Pandemie-Bekämpfung erklären."
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May 18, 2022 03:24 ET (07:24 GMT)
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