DJ BDI sieht nur noch leichtes Wachstum für Ausfuhren und Industrieproduktion
Von Andreas Kißler
HANNOVER/BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für das laufende Jahr nur noch mit einem leichten Wachstum von Exporten und Industrieproduktion. Der BDI hält im laufenden Jahr einen Anstieg der Produktion im verarbeitenden Gewerbe von knapp 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr für möglich. Die Zunahme falle geringer aus, als die Industrie sich das vor der russischen Invasion vorgestellt habe. Dies gelte auch bei den Ausfuhren, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm zum Auftakt der Hannover-Messe. Für die deutschen Exporte erwarte der BDI für 2022 in realer Rechnung einen Anstieg um rund 2,5 Prozent. Im Januar war der BDI noch von etwa 4 Prozent ausgegangen.
"Versorgungsnetzwerke und Lieferketten sind zum Zerreißen gespannt. Noch immer beschäftigen uns das Coronavirus und seine Folgen - akut durch die fehlgeschlagene Null-Covid-Politik Chinas, perspektivisch in der Sorge vor einer neuen Virusvariante im Herbst", sagte Russwurm. "Das macht dieses Jahr extrem herausfordernd und schwächt das Wirtschaftswachstum erheblich." Russwurm erklärte bei einer Online-Pressekonferenz, wegen der immensen Risiken gebe der BDI die Prognose in dieser unsicheren Zeit "mit Konditionierungen" ab. Eine zentrale Voraussetzung für das Erreichen der Prognose sei, dass die Lieferkettenprobleme in der zweiten Jahreshälfte merklich abnehmen.
Zudem müsse russisches Gas weiterhin Westeuropa erreichen, dürfe also hierzulande niemand ein Embargo beschließen. "Eine Unterbrechung russischer Gasexporte würde das Wachstum in Europa abwürgen und unsere Wirtschaft in die Rezession schicken", warnte Russwurm. Unternehmen wie Regierungen müssten klimapolitische Anstrengungen bei der Sicherung und Diversifizierung der Energieversorgung von Anfang an im Blick haben. "Kurzfristig geht es vor allem um die Versorgung mit Flüssig-Erdgas, das wir als Brückentechnologie dringend brauchen."
Der schnellstmögliche Ausbau der erneuerbaren Energien und der Umstieg auf Wasserstoff sollten vorangetrieben werden - durch schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. "Wir brauchen viel mehr Tempo für Anlagen und Netze, denn Versorgungssicherheit ist das A und O für den Erhalt unserer wirtschaftlichen Stärke", erklärte Russwurm. Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Umstieg auf Wasserstoff schneller gelingen könne als angenommen. Die Industrie befasse sich intensiv damit, wie sich Rohstoffbezüge absichern und wesentlich stärker diversifizieren ließen. Noch würden von 30 von der EU als kritisch eingestuften Rohstoffgruppen zehn hauptsächlich aus China geliefert.
Der BDI setze zwar weiter auf Globalisierung und weltweite Wertschöpfungsketten, einseitige Abhängigkeiten als "Klumpenrisiko" müssten aber überwunden werden. "Es ist einfach vernünftig, nicht alle Eier in einen Korb zu legen", sagte der BDI-Präsident. Als Technologie der Zukunft stehe vor allem Wasserstoff im Fokus der Hannover-Messe. Für die Wasserstoff-Offensive brauche Europa jetzt dringend mehr eigene Elektrolysekapazitäten und grenzüberschreitende Infrastrukturen. Deshalb sei es wichtig und richtig, dass Politik und Unternehmen globale Energiepartnerschaften etablierten.
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May 30, 2022 03:04 ET (07:04 GMT)
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