DJ EZB-Präsidentin Lagarde sieht mittelfristig "Greenflation"
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Übergang zu einer Wirtschaft mit geringem CO2-Aufkommen wird die Inflation im Euroraum nach Einschätzung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde mittelfristig antreiben. Bei einem Panel im Rahmen der "Green-Swan-Konferenz" der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) äußerte Lagarde die Einschätzung, dass die Klimaziele möglicherweise noch ehrgeiziger als bisher ausfallen müssten, was auch einen höheren CO2-Preis nach sich ziehen würde.
"Mittelfristig wird der Kostendruck durch den grünen Übergang ("Greenflation") sicherlich stärker sein. Er wird sowohl mit der Dekarbonisierung als auch mit dem Übergang selbst zusammenhängen", sagte Lagarde und nannte dafür drei Gründe:
1. "Wir werden wahrscheinlich ehrgeizigere Übergangsziele haben müssen, und das wird zu einer höheren CO2-Bepreisung führen", sagte sie. Lagarde berief sich dabei auf jüngste Erkenntnisse, denen zufolge die Erderwärmung derzeit mindestens doppelt so rasch ablaufe wie geplant.
2. "Wir werden wahrscheinlich eine höhere Nachfrage nach Mineralien und Metallen haben, die dringend für den Übergang benötigt werden", sagte die EZB-Präsidentin. Das gelte zum Beispiel für die Autoindustrie. Abhängigkeit von wenigen Lieferanten müsse hier vermieden werden. "Wir müssen den Übergang sehr vorsichtig planen."
3. Lagarde zufolge wird es wahrscheinlich weniger Investitionen in fossile Brennstoffe geben - in die Erkundung, das Raffinieren und den Transport. "Weil die Nachfrage wahrscheinlich hoch bleiben wird, werden wir hier auch Preisdruck sehen."
Lagarde zufolge gehen Wissenschaftler davon aus, dass die Kapazität an erneuerbaren Energien "langfristig sehr wahrscheinlich zunehmen wird", was die Preise sinken lassen dürfte. "Aber dafür müssen wir erst die kurz- und mittelfristigen Schritte gegangen sein", sagte die EZB-Präsidentin.
Kurzfristig ist Lagarde zufolge "Greenflation" nicht das Problem, sondern "Fossilflation", also der Inflationsdruck durch höhere Preise fossiler Energieträger. Dagegen seien die Preise von "grünen Gütern" wie Solarpanelen und Windturbinen über längere Zeit gesunken, und dieser Trend habe sich erst vor kurzem etwas umgekehrt.
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June 01, 2022 09:28 ET (13:28 GMT)
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