
DJ KONJUNKTUR IM BLICK/Fed und BoE erhöhen Leitzins - BoJ und SNB nicht
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Zentralbanken der angelsächsischen Länder straffen ihre geldpolitischen Zügel mit einer gewissen Entschlossenheit, anderenorts herrscht dagegen Zurückhaltung: Die US-Notenbank dürfte ihren Leitzins am Mittwoch erneut um 50 Basispunkte erhöhen und die Bank of England (BoE) um 25 Basispunkte. Kanada und Australien haben bereits 50 Basispunkte vorgelegt. Dagegen herrscht bei anderen Zentralbanken eine etwas langsamere Gangart: Der erste kleine Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) wird im Juli kommen, die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird früher oder später folgen und die Bank of Japan (BoJ) vielleicht gar nicht.
US-Notenbank hebt Leitzins um 50 Basispunkte an
Das herausragende Ereignis der Woche ist die Zinsentscheidung der US-Notenbank am Mittwoch (20.00 Uhr). Analysten erwarten, dass das Federal Open Market Committee (FOMC) den Zielsatz der Fed Funds Rate um 50 Basispunkte auf 1,25 bis 1,50 Prozent anheben wird. Fed-Funds-Futures preisen darüber hinaus bis Dezember zu 85 Prozent weitere Anhebungen um mindestens 150 Basispunkte ein. Das Augenmerk von Marktteilnehmern und Analysten wird also darauf liegen, welchen Kurs die anstehenden Zinsprognosen der FOMC-Mitglieder signalisieren und welchen Ausblick Fed-Chairman Jerome Powell in seiner Pressekonferenz (Beginn 20.30 Uhr) geben wird.
Die Inflationsentwicklung in den USA ist weiterhin beunruhigend. Die Verbraucherpreise lagen im Mai um 8,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, und der Arbeitsmarkt zeigte im gleichen Monat keine Zeichen einer Abkühlung. Die Amerikaner suchen sich neue, besser bezahlte Jobs, während die Erwerbsbeteiligung kaum zunimmt.
Die Woche bringt außerdem neue Inflationsdaten aus den USA. Am Dienstag (14.30 Uhr) kommen die Erzeugerpreise für Mai und am Mittwoch (14.30 Uhr) die Importpreise. Bei den Erzeugerpreisen wird ein Rückgang der Jahresteuerung auf 10,8 (11,0) Prozent erwartet. Die Einzelhandelsdaten für diesen Monat werden am Mittwoch (14.30 Uhr) Anhaltspunkte dafür liegen, ob die hohe Inflation bereits den Konsum spürbar beeinträchtigt.
BoE schiebt einen kleinen Zinsschritt nach
Die BoE hat ihre Zinsen schon viermal angehoben, zuletzt im Mai auf 1,00 Prozent, und für Donnerstag (13.00 Uhr) wird ein weiterer Zinsschritt von 25 Basispunkten erwartet. Die Inflationsrate betrug zuletzt 6,2 Prozent, und so nimmt es nicht Wunder, dass die Märkte für jede Sitzung des Monetary Policy Committee (MPC) in diesem Jahr eine Zinsanhebung einpreisen. Auch bei der BoE wären daher Aufschlüsse zum weiteren Zinskurs erwünscht, doch findet dieses Mal keine Pressekonferenz mit Gouverneur Andrew Bailey statt. Beobachter müssen sich also mit den Hinweisen begnügen, die das geldpolitische Statement und das Sitzungsprotokoll liefern.
SNB lässt Leitzins und Franken-Rhetorik unverändert
Die SNB dürfte ihre Geldpolitik beim Treffen ihres geldpolitischen Rats am Donnerstag unverändert lassen. Die Inflation ist zwar unter dem Einfluss höherer Energiepreise auch in der Schweiz gestiegen, aber nur von 1,4 Prozent im Januar auf 2,9 Prozent im Mai. Gleichwohl wird immer öfter die Frage gestellt, ob ein Leitzins von minus 0,75 Prozent, der Anlagen in Schweizer Franken unattraktiv machen und so einer Aufwertung entgegenwirken soll, im aktuellen Umfeld noch angemessen ist.
Analysten sind aber ziemlich sicher, dass die SNB ihre Zinsen nicht erhöhen wird, ehe die Europäische Zentralbank (EZB) das getan hat. Denn worauf die SNB besonders schaut, ist der Wechselkurs des Franken gegenüber dem Euro. Der hat seit der Sitzung im März lediglich um 1,5 Prozent zugelegt, so dass sich an der Interventionsneigung der SNB und ihrer Franken-Rhetorik nichts ändern dürfte.
BoJ hält an Kaufvolumen und Renditeziel fest
Die BoJ - seit Jahren die Mutter der lockeren und "unkonventionellen" Geldpolitik - verschwendet bisher keinen Gedanken auf eine Straffung. Zwar erreichte die Inflation im Mai im Großraum Tokio 2,4 Prozent, doch stellte Gouverneur Haruhiko Kuroda in einer Parlamentsanhörung Ende Mai eine anhaltend lockere Geldpolitik in Aussicht. "Die Bank von Japan wird die Wirtschaft, die sich immer noch von der Pandemie erholen muss, durch eine geduldige Fortsetzung der starken geldpolitischen Lockerung unterstützen", sagte er. Kuroda hat mehrfach darauf verwiesen, dass er einen auf Energiepreisen beruhenden Inflationsanstieg für nicht nachhaltig hält.
Demgemäß dürfte die BoJ an ihrem negativen Leitzins von minus 0,10 Prozent und einem Ziel für die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen von 0 Prozent festhalten. Das Ergebnis der Beratungen wird am frühen Freitagmorgen veröffentlicht.
Mitarbeit: Andreas Plecko
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June 10, 2022 08:47 ET (12:47 GMT)
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