DJ Lindner: Deutschland für Luxemburgs Ex-Finanzminister Gramegna als ESM-Chef
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Deutschland hat sich vor Sitzungen der europäischen Finanzminister in den kommenden beiden Tagen in Luxemburg für den Luxemburger Pierre Gramegna als Nachfolger von Klaus Regling auf dem Chefsessel des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ausgesprochen. "Aus meiner Sicht ist der ehemalige luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna die Persönlichkeit, die sehr gut geeignet und qualifiziert ist, den ESM zu führen", sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) in einer Videokonferenz mit Journalisten.
Gramegna sei "ein Finanzminister eines Triple-A-Mitgliedslandes der Währungsunion" gewesen, zugleich aber auch "eine Persönlichkeit, die über die kommunikativen Gaben verfügt, überall in Europa integrierend für diese Institution ESM zu werben". Lindner betonte, für den Chefposten würden sich "drei respektable Persönlichkeiten" bewerben. Neben dem Luxemburger sind dies noch ein Portugiese und ein Italiener. Die Wahl eines neuen Präsidenten könnte nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen am späten Vormittag oder gegen Mittag im Gouverneursrat des ESM stattfinden. Deutschland hat bei einer Wahl aufgrund seines Stimmgewichts de facto ein Vetorecht.
Lindner betonte, aus Sicht der Bundesregierung dürfe "der ESM seinen Charakter nicht verändern". Er habe eine ganz klare Mission. "Der ESM ist kein Instrument, um in der Regel die Kapitalversorgung von Mitgliedsstaaten der Währungsunion zu sichern, sondern er ist ein Kriseninterventionsinstrument." Dieser Charakter müsse erhalten bleiben. Auch die Objektivität des Rettungsfonds sei "für die Bundesregierung enorm wichtig", sie sei zugleich Garant seiner Glaubwürdigkeit gegenüber den internationalen Kapitalmärkten.
Mit Blick auf die europäische Bankenunion bekräftigte Lindner deutsche Bedenken. "Wir haben unverändert Sorge hinsichtlich der Behandlung von Staatsanleihen in den Bankbilanzen", sagte der Finanzminister. Für Deutschland sei es notwendig, Fortschritte bei der Bewertung von Staatspapieren auf Bilanzen privater Banken zu machen. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken seien "unverzichtbar für die Kreditversorgung" der großen Breite der Bevölkerung und des Mittelstands", betonte er zudem. Deshalb sei entscheidend, dass ihre besondere Bedeutung "reflektiert" werde. "Das betrifft insbesondere ihre Institutssicherungssysteme, die auf einer europäischen Ebene natürlich Berücksichtigung finden müssen", sagte Lindner.
Vor der Sitzung in Luxemburg, bei der alle EU-Länder darüber beraten wollen, deuteten sich schwierige Konstellationen an. Hingegen seien in der Frage des Krisenmanagements und möglicher Abwicklungsmechanismen "Fortschritte schon sichtbar". In der Sitzung der Eurogruppe ist zudem laut Lindner geplant, dass die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) über die Sondersitzung der Notenbank angesichts immer stärkerer Renditeunterschiede informiert. "Die EZB-Chefin wird morgen berichten zur aktuellen Situation in der Eurozone und zur weiteren Entwicklung in dieser Frage", erklärte er.
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June 15, 2022 10:01 ET (14:01 GMT)
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