DJ IWH: Deutsche Wirtschaft wächst 2022 um 1,5 Prozent
Von Andreas Kißler
HALLE/BERLIN (Dow Jones)--Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat für 2022 einen Anstieg des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,5 Prozent nach 2,9 Prozent im Jahr 2021 prognostiziert. "Während die Aufhebung der landesweiten Corona-Regelungen viele Dienstleistungsbranchen wie das Gastgewerbe ankurbelt, dürften Lieferengpässe das verarbeitende Gewerbe den ganzen Sommer über belasten und die hohe Inflation den privaten Konsum dämpfen", erklärte das Institut. Das BIP werde im zweiten Quartal 2022 voraussichtlich leicht zurückgehen. Gegen Ende des Jahres werde mit einer Entspannung der Lage im verarbeitenden Gewerbe gerechnet.
Bereits zu Jahresbeginn sei die weltwirtschaftliche Erholung verhalten verlaufen, und im Laufe des Sommers bleibe die Weltwirtschaft verschiedenen Belastungen ausgesetzt, die die Preise stark ansteigen lassen würden. Weitere Produktionsstillstände im Zuge von Chinas Null-Covid-Strategie dürften die Verknappung von Industriegütern vorübergehend verschärfen und damit die Inflation weltweit anheizen. Darüber hinaus habe der Krieg in der Ukraine Anlass zur Besorgnis über die Rohstoffversorgung gegeben, die die Preise in die Höhe getrieben habe. Der Anstieg der Rohstoffpreise führe zu Realeinkommensverlusten und belaste die Güternachfrage.
"Die Konjunkturaussichten in Deutschland sind durch den Krieg in der Ukraine, damit verbundene Preiserhöhungen sowie unterbrochene Lieferketten erheblich belastet", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. "Diese Faktoren verringern die Chancen auf eine schnelle Genesung." Während die Abschaffung der landesweiten Corona-Regelungen im März einigen Dienstleistungsbranchen wie dem Gastgewerbe Auftrieb verleihe, sei die Verbraucherstimmung mit Beginn des Krieges in der Ukraine stark eingebrochen und die Inflationsrate habe ein Rekordtempo von 7,9 Prozent im Jahresvergleich im Mai erreicht. Dies dürfte den privaten Konsum dämpfen.
Umgekehrt werde der Konsum durch die starke Anhebung des Mindestlohns gestützt. Die Anlageinvestitionen würden durch die hohe kriegsbedingte Unsicherheit beeinträchtigt. Unterstützend dürften die die Energiewende begleitenden staatlichen Anordnungen wirken. Die begrenzten Kapazitäten in der Bauwirtschaft würden die Anlageinvestitionen weiterhin belasten. Auch die Exporte dürften sich 2022 abschwächen, da die Auftragseingänge seit Jahresbeginn stark zurückgegangen seien. Die Arbeitslosigkeit sinke weiter, aber aufgrund der beträchtlichen Mindestlohnerhöhungen langsamer als zuvor.
"Sollte es im Winter zu Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit kommen, dürfte sich die konjunkturelle Erholung weiter verzögern", warnte Holtemöller. Das Haushaltsdefizit dürfte im laufenden Jahr zurückgehen, da die Staatseinnahmen voraussichtlich die Ausgaben übersteigen würden. Obwohl die öffentlichen Investitionen spürbar stiegen, gingen die geleisteten Zuschüsse und Vermögenstransfers mit dem Auslaufen der coronabedingten Unterstützungsmaßnahmen zurück.
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June 21, 2022 07:00 ET (11:00 GMT)
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