DJ Deutsche Bank: EZB-Programm zur Spread-Kontrolle wird nur Backstop
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Deutsche-Bank-Europa-Chefvolkswirt Mark Wall erwartet, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juli zusammen mit seiner ersten Zinserhöhung ein so genanntes Anti-Fragmentierungsprogramm auf den Weg bringen wird, dass der Begrenzung der Renditeabstände (Spreads) der Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder gegenüber Bundesanleihen dienen soll. Wie Wall in einer Analyse schreibt, dürfte es dabei nicht um ein reguläres Kaufprogramm, sondern um eine Backstop-Lösung gehen, bei der Käufe bei Überschreiten bestimmter Grenzen ausgelöst und an die Erfüllung nur leichter Bedingungen geknüpft werden.
Wall nimmt außerdem an, dass die EZB den Liquiditätseffekt der Käufe von Peripherie-Anleihen nicht nur sterilisieren, sondern über den Verkauf der Papiere von Kern-Ländern falls nötig sogar überkompensieren wird. "Die Inflationsrisiken steigen, und deshalb wird der EZB die Flexibilität, die durch den Verkauf anderer Wertpapiere und dadurch geschaffen wird, dass sie insgesamt netto mehr verkauft als kauft, wichtig sein", argumentiert er.
Konkret hält der Deutsche-Bank-Analyst für 21. Juli ein Paket aus folgenden Beschlüssen für möglich:
1. Die Leitzinsen werden um 25 Basispunkte angehoben
2. Anti-Fragmentierungswerkzeug zur Begrenzung der Spreads
3. Sterilisierung der durch das Anti-Fragmentierungswerkzeug geschaffenen Liquidität
4. Ein Signal, dass falls wegen des Inflationsausblicks erforderlich, über eine Verringerung der APP-Anleihebestände der Kernländer eine "Quantitative Straffung" eingeleitet werden würde
5. In den Wiederanlageregeln des PEPP ist die Möglichkeit des bevorzugten Kaufs von Periperieanleihen bereits angelegt
Wall geht nicht davon aus, dass die EZB ihre Anti-Fragmentierungskäufe an explizite Renditen oder Spreads binden wird. Vielmehr erwartet er, dass die EZB ähnlich wie beim PEPP flexibel vorgehen wird - je nachdem, ob die Spreads aus ihrer Sicht "fundamental gerechtfertigt" sind oder nicht. "Um die Wirksamkeit dieses Ansatzes zu erhöhen, könnte die EZB ihre Interventionen mit Kommentaren untermauern, die dem Markt den richtigen Weg weisen", meint er. Wichtig sei, dass das Instrument unbegrenzt oder ausreichend groß sei.
Der Markt würde es Wall zufolge auch begrüßen, wenn die Risiken der "Antifragmentierungskäufe", wie im Falle früherer Kaufprogramme (SMP, OMT), geteilt würden und nicht, wie bei späteren Programmen (APP, PEPP), bei den nationalen Zentralbanken blieben. Er nimmt zudem an, dass die Käufe ähnlich wie bei APP/PEPP ein breites Laufzeitenspektrum erfassen werden.
Der Volkswirt erwartet, dass sich die EZB auf eher "weiche" Konditionen für die von Käufen begünstigten Länder einigen wird. Für denkbar hält er Auflagen im Zusammenhang mit den Zielen und Meilensteinen des Kreditprogramms Next Generation EU (NGEU). Da hierüber letzten Endes die Euro-Finanzminister urteilten, sieht Wall eine gewisse Parallele zur Rolle des Rettungsfonds ESM im Falle von OMT-Käufen. Weitere Konditionen könnten aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Prozeduren der EU-Kommission gegen makroökonomische Ungleichgewichte abgeleitet werden.
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