DJ EZB: 60% der Banken nicht zu ordentlichem Klimastresstest in der Lage
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrem ersten Klimastresstest für die Großbanken des Euroraums eher negative Eindrücke gewonnen. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Bericht der EZB hervorgeht, sind die Banken überwiegend nicht in der Lage, die Auswirkungen des Klimawandels und die mit dem Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft zusammenhängenden Risiken für ihre Bilanzen ordentlich abzuschätzen. Deshalb misst sie dem Ergebnis des Tests, dass Banken in negativen Klimaszenarien kurzfristige Verluste von nur 70 Milliarden Euro erleiden würden, keine besondere Bedeutung bei. Nach Aussage von EZB-Direktor Frank Elderson gibt es noch keinen Termin für einen neuen Klimastresstest. Bei der Vorstellung des Berichts macht er aber deutlich, dass die EZB Klimarisiken über kurz oder lang auch bei der Bemessung ihrer risikobasierten Eigenkapitalanforderungen an Banken berücksichtigen wird.
Der Test gliederte sich in drei Module, die folgende Ergebnisse brachten:
1. Nur ein Drittel der Banken "kann Klimastresstest"
Die Ergebnisse des ersten Moduls zeigen, dass rund 60 Prozent der Banken noch nicht über einen Rahmen für die Prüfung des Klimarisikos verfügen. Zudem beziehen die meisten Banken das Klimarisiko nicht in ihre Kreditrisikomodelle ein, und nur 20 Prozent berücksichtigen das Klimarisiko als Variable bei der Kreditvergabe. Laut EZB erfüllen die Banken derzeit nicht die Anforderung, dass sie Klimastresstests einführen sollten, die mehrere Übertragungswege des Klimarisikos - zum Beispiel über Markt- und Kreditrisiken sowie Portfolios (Unternehmens- und Hypothekenkredite) berücksichtigen. "Wir schätzen die Bemühungen der Banken, aber die müssen ihr Schwächen angehen", sagte Elderson. Im vierten Quartal wolle die EZB entsprechende "Best Practices" veröffentlichen.
2. Zwei Drittel der Einnahmen aus Unternehmenskrediten klimagasintensiv
Das zweite Modul des Tests zeigt, dass insgesamt fast zwei Drittel der Erträge der Banken aus Unternehmenskrediten aus treibhausgasintensiven Branchen stammen. In vielen Fällen stammen die von den Banken "finanzierten Emissionen" von einer kleinen Anzahl großer Geschäftspartner, was ihre Übergangsrisiken erhöht. Banken stützen sich häufig auf Schätzungen, um ihr Engagement in emissionsintensiven Sektoren abzuschätzen. "Dies ist zwar ein guter erster Schritt, um die Datenlücken zu schließen, aber die Banken müssen versuchen, genauere Daten von ihren Kunden zu bekommen", fordert die EZB.
3. Verluste von 70 Mrd Euro nicht die ganze Wahrheit
Die EZB hat die Banken ausrechnen lassen, wie hoch ihre kurzfristigen Verluste bei einem ungeordneten Übergang zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft sowie bei zwei Erderwärmungsszenarien ausfällen würden. Das Ergebnis von 70 Milliarden Euro betrachtet die EZB aber als eher zweitrangig, weil es auf verschiedenen mildernden Faktoren beruht: Es mangelt an Daten, die verwendeten Modelle berücksichtigen Klimarisiken nur ansatzweise, es werden weder wirtschaftlichen Abschwünge noch Zweitrundeneffekte modelliert, und es beteiligte sich weniger als die Hälfte der insgesamt einbezogenen Banken an diesem Element des Tests.
"Der Fokus liegt weniger auf speziellen Zahlen, sondern mehr auf der qualitativen Erkenntnis, dass die Banken an ihren Fähigkeiten arbeiten müssen", sagte Elderson.
4. Kein Termin für nächsten Klimastresstest
Der EZB-Direktor sagte auf Nachfrage, dass die EZB noch keinen Termin für einen nächsten Klimastresstest habe. Kurzfristig würden die Ergebnisse keine Auswirkungen für die Eigenkapitalanforderungen haben, sie gingen aber qualitativ in den laufenden Aufsichtsprozess (Srep) ein. Elderson machte zugleich deutlich, dass sich Klimarisiken eines Tages auch direkt in den Eigenkapitalanforderungen niederschlagen werden. "Wie alle Risiken werden auch die Klimarisiken in unseren risikobasierten Ansatz einfließen", sagte er.
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July 08, 2022 04:50 ET (08:50 GMT)
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