
DJ Julius Bär: Rechtliche Bedenken halten EZB nicht von Spread-Kontrolle ab
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird sich nach Einschätzung von David Kohl, Chefvolkswirt der Bank Julius Bär, nicht durch rechtliche Bedenken davon abhalten lassen, ein Instrument zur Kontrolle der Renditeabstände (Spreads) von Euroraum-Staatsanleihen einzusetzen. "Der Druck, so ein Instrument vorzustellen, fällt in den nächsten sechs Monaten an, aber ein Gerichtsurteil wird erst in zwei Jahren verkündet", sagte Kohl bei der Vorstellung des Kapitalmarktausblicks für das zweite Halbjahr. Es könne sein, dass das Gericht dieses Programm dann für unrechtmäßig erkläre, aber das werde die EZB nicht davon abhalten - "insbesondere nicht, wenn sie von einer Juristin geleitet wird", wie Kohl unter Verweis auf EZB-Präsidentin Christine Lagarde hinzufügte.
Kohl zufolge ist eine Intervention der EZB am italienischen Staatsanleihemarkt rechtlich möglich, wenn sie darstellen kann, dass ihre Geldpolitik in Italien nicht genauso wie in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden wirkt. Damit mache sie glaubhaft, dass es sich bei den Staatsanleihekäufen nicht um monetäre Staatsfinanzierung handele. Ansonsten geht der Ökonom davon aus, dass die EZB von den negativen Zinsen weg möchte. "Da ist man relativ stark hinterher", sagte er.
Die Euroraum-Inflation sieht der Julias-Bär-Chefvolkswirt 2022 im Schnitt bei 7,1 Prozent, zudem rechnet er mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,9 Prozent. 2023 wird sich das Wachstum nach seiner Einschätzung abschwächen, mit einer echten Rezession rechnet er jedoch nach jetzigem Stand nicht.
Grund sei, dass es Produktionsengpässe in Verbindung mit komplexen globalen Lieferketten und geringen Lagerbeständen den Unternehmen erschwerten, die rege Nachfrage zu befriedigen. Gegenwärtig versuchten die Unternehmen aber, Kapazitäten aufzubauen und Menschen einzustellen. "Die aktuelle Rezessionsdebatte sieht die Welt nicht so, wie sie ist", sagte er.
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July 13, 2022 06:13 ET (10:13 GMT)
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