DJ DIW-Chef erwartet keinen baldigen Inflationsrückgang
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet keinen baldigen Rückgang der Inflation und hat die Europäische Zentralbank (EZB) gegen Kritik an ihrer zögerlichen Zinspolitik in Schutz genommen.
"Die EZB muss die Zinsen erhöhen. Aber das wird über die nächsten 12 bis 18 Monate nichts an der Inflation verändern." sagte Marcel Fratzscher im ARD-Morgenmagazin. "Wir haben im Augenblick eine importierte Inflation, die durch den Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie weltweit verursacht wird...Die Zentralbank muss die Zinsen erhöhen, um ein klares Signal zu senden, Inflationserwartungen zu verankern. Aber an der Inflation, die wir im Augenblick erleben, kann sie erst einmal nichts ändern."
Kritik, dass die EZB wegen ihrer zögerlichen Politik die aktuell hohe Inflation mit verschuldet haben könnte, weist Fratzscher zurück.
"Natürlich hätte man sagen können, die EZB hätte schon im letzten Jahr die Zinsen erhöhen müssen. Aber das hätte ja auch am Krieg und der Inflation, die wir jetzt haben, nichts geändert", so Fratzscher. "Eine Zentralbank kann die einheimische Nachfrage schwächen...aber im Augenblick haben wir nicht das Problem, dass die Dinge, die wir selber produzieren, dass die jetzt der Treiber der Inflation sind, sondern es ist eine importierte Inflation."
Er betonte zudem, dass sich die Eurozone und die USA in zwei völlig unterschiedlichen Situationen befänden. Die USA hätten ein riesiges Fiskalprogramm während der Corona-Pandemie aufgelegt und hätten sich wirtschaftlich stärker erholt. Dort werde 70 Prozent der Inflation durch die einheimische Nachfrage getrieben. In der Eurozone und Deutschland seien hingegen 70 bis 80 Prozent der Inflation importiert.
"Deshalb ist es auch richtig, dass die Amerikaner viel schneller, viel härter die Zinsen erhöhen und die EZB muss jetzt nachziehen. Aber wir in Europa sind in einer viel schwierigeren Lage wirtschaftlich", so der DIW Präsident. "Wenn die EZB jetzt schnell die Zinsen anhebt, dann würgt sie diese Erholung ab. Und damit steigt die Arbeitslosigkeit auch hierzulande."
Er betonte zudem, dass die Bundesregierung sich weiter verschulden müsse angesichts der "höchst unsozialen Inflation". Denn Menschen mit mittleren und geringeren Einkommen bräuchten staatliche Hilfen, damit Schlimmeres verhindert wird.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/mgo
(END) Dow Jones Newswires
July 21, 2022 03:08 ET (07:08 GMT)
Copyright (c) 2022 Dow Jones & Company, Inc.