DJ Ministerium legt Entwurf für verschärftes Wettbewerbsrecht vor
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Gesetzesentwurf zur gezielten Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorgelegt und wird diesen nach eigenen Angaben in Kürze in die Ressortabstimmung geben. Damit setze das Ministerium seine Ankündigung vom Juni um. Ziel der Novelle sei es, den Wettbewerb im Sinne der Verbraucher zu stärken, so das Ministerium in einem Papier. Dort, wo die Marktstruktur dem Wettbewerb entgegensteht, etwa weil es nur wenige Anbieter im Markt gibt und regelmäßig parallele Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher zu beobachten sind, sollen die Eingriffsinstrumente des Kartellrechts laut den Angaben gestärkt werden.
"Wettbewerb ist unser schlagkräftigstes Instrument zur Senkung der Preise und zur Förderung von Innovation, gerade im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der Mitteilung. Angesichts der aktuell ohnehin steigenden Preise und enormen Gewinne einzelner Unternehmen sei es nicht hinnehmbar, dass es in einigen Bereichen immer noch verkrustete und durch Machtstrukturen geprägte Märkte zum Schaden der Verbraucher gebe. "Es reicht nicht, dass alle immer nur intensiveren Wettbewerb fordern, sondern wir müssen das Wettbewerbsprinzip auf den Märkten auch aktiv durchsetzen."
Der Gesetzentwurf novelliert laut Wirtschaftsministerium das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zum elften Mal und weitet die Befugnisse des Bundeskartellamtes zum Schutz der Verbraucher aus. Das "Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz" sehe erstens ein neues Eingriffsinstrument vor, mit dem das Bundeskartellamt im Anschluss an eine Sektoruntersuchung Störungen des Wettbewerbs schnell und effektiv abstellen könne.
Aktuell kann das Bundeskartellamt - anders als die britische CMA - aufgrund der Sektoruntersuchung keine Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs ergreifen. Künftig soll die Behörde im Anschluss an eine Sektoruntersuchung aber konkrete Maßnahmen zur Abstellung festgestellter erheblicher Wettbewerbsstörungen anordnen können. In Zukunft sollen laut dem Entwurf beispielsweise Verpflichtungen zur Etablierung offener Standards, zur Gewährung des Zugangs zu Schnittstellen, zur Einrichtung eines wirksamen Beschwerdemanagements, zur Veränderung der Lieferbeziehungen, zur organisatorischen Trennung von Unternehmensbereichen sowie - als Ultima ratio - die Anordnung einer eigentumsrechtlichen Entflechtung möglich sein.
Anwendungshürden der Vorteilsabschöpfung sollen sinken
Zweitens werde die Abschöpfung von Vorteilen aus Kartellrechtsverstößen für die Behörde deutlich erleichtert. Dieses Instrument besteht laut Wirtschaftsministerium auch jetzt schon, wurde aber aufgrund hoher Hürden bislang noch nie genutzt. Nun würden die Anwendungshürden der Vorteilsabschöpfung gesenkt. So gelte künftig die Vermutung, dass ein Unternehmen mit dem nachgewiesenen Kartellrechtsverstoß einen Vorteil in Höhe von 1 Prozent seiner Inlandsumsätze mit dem entsprechenden Produkt oder der Dienstleistung erzielt hat. Außerdem soll es für die Abschöpfung keine Rolle spielen, ob ein Unternehmen schuldhaft gehandelt hat.
Mit den Neuerungen soll es laut den Angaben eine bessere Handhabe geben, wenn es bei Märkten mit vergleichsweise wenigen Anbietern im Markt immer wieder parallele Preisentwicklungen gibt, ohne dass aber ein Kartell nachweisbar ist. "Dieses Phänomen ist an den Zapfsäulen regelmäßig zu beobachten, und hier muss ein schnelleres und schärferes Eingreifen des Kartellamts möglich sein", betonte das Ministerium. Die im Entwurf enthaltenen Instrumente sollten eine aktivere Wettbewerbspolitik in Deutschland ermöglichen. Ziel sei die umfassende Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips - vor allem in Märkten mit strukturellen Wettbewerbsstörungen.
Die Stärkung des Wettbewerbs erfolge auch mit Blick auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld. So könne intensiverer Wettbewerb bei steigender Inflation langfristig zur Entlastung der Verbraucher sowie zur Reduzierung von Monopol- und Oligopolrenten und Abhängigkeiten beitragen, insbesondere bei Märkten mit hohen Markteintrittsbarrieren. Diese Märkte mit "vermachteten" Strukturen sollen den Angaben zufolge aufgebrochen werden.
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September 19, 2022 09:39 ET (13:39 GMT)
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