DJ EZB will Euro-Abwertung entgegenwirken und spricht Bilanzabbau an
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ist bei seinen Beratungen am 7. und 8. September zu dem Ergebnis gelangt, dass die zu erwartende konjunkturelle Abkühlung nicht ausreichen wird, um die Inflation zu ihrem Zielwert von 2 Prozent zurückzubringen. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll hervor geht, wollte das Gremium auch deshalb eine rasche Straffung, weil andernfalls die Abwertung des Euro den Inflationsdruck weiter erhöhen würde. Die Möglichkeit eines Bilanzabbaus wurde zumindest indirekt angesprochen.
Während in dem Dokument die Argumente der geldpolitischen Falken klar dominierten, standen am Ende doch zwei widersprüchliche Aussagen nebeneinander: Dass der EZB-Rat von Meeting zu Meeting entscheiden will, aber andererseits davon ausgeht, dass die Zinsen auch bei den nächsten Sitzungen angehoben werden dürften.
"Am Ende der Diskussion schlossen sich alle Mitglieder dem Konsens an, die drei Leitzinsen der EZB um 75 Basispunkte anzuheben, wobei sie bekräftigten, dass die Entscheidung des EZB-Rats weiterhin von den Daten abhängt und dass eine Anhebung um 75 Basispunkte nicht signalisieren sollte, dass der EZB-Rat beabsichtigt, auf seinen künftigen Sitzungen Zinserhöhungen in ähnlicher Größenordnung zu beschließen", heißt es.
Das weitere Vorgehen müsse "umsichtig" kommuniziert werden und dem Risiko einer erhöhten Volatilität auf dem Anleihemarkt Rechnung tragen, indem auf ein "Frontloading" der Zinsnormalisierung hingewiesen wird. Will sagen: Zinserhöhungen um 75 Basispunkte statt der üblichen 25 Basispunkte bedeuteten nicht zwangsläufig, dass die Zinsen am Ende des Zyklus auch höher als bisher angenommen sein würden.
Als weiteres Argument für den großen Zinsschritt wurde angeführt, dass die Zinsen angesichts einer Inflationsrate von 9,1 Prozent im August weiterhin "sehr akkommodierend" seien und normalisiert werden müssten. "Ohne eine rechtzeitige Verringerung der geldpolitischen Akkommodation könnte der Inflationsdruck infolge einer Abwertung des Euro weiter zunehmen, während niedrigere Wechselkurse die Wirtschaftstätigkeit in einem Umfeld anhaltender globaler Versorgungsengpässe und Knappheiten nur begrenzt unterstützen", hatten Teilnehmer in der Diskussion laut Protokoll argumentiert.
Aus dem Dokument geht - wenngleich nur indirekt - hervor, dass die EZB inzwischen auch einen Abbau ihrer Anleihebestände diskutieren würde: "Über die Gestaltung der EZB-Leitzinsen hinaus wurde hervorgehoben, dass die umfangreiche Bilanz des Eurosystems nach wie vor für eine erhebliche geldpolitische Akkommodation sorgt, indem sie die Laufzeitprämien senkt. Es wurde als angemessen erachtet, zu bekräftigen, dass der EZB-Rat bereit ist, alle seine Instrumente im Rahmen seines Mandats anzupassen, um sicherzustellen, dass die Inflation zu ihrem mittelfristigen Ziel von 2 Prozent zurückkehrt."
Die seit Anfang September veröffentlichten Konjunkturdaten zeigen, dass sich die Inflationsaussichten weiter verschlechtert haben, während sich der Konjunkturausblick eintrübt. Die nächste Ratssitzung findet Ende des Monats statt.
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October 06, 2022 08:31 ET (12:31 GMT)
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