DJ IWF: Ukraine-Krieg, Inflation und China belasten Weltwirtschaft
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognose für das globale Wachstum im nächsten Jahr gesenkt und sieht die Weltwirtschaft im Griff von drei Bremskräften: Dem russischen Krieg gegen die Ukraine, der Inflation und der konjunkturellen Verlangsamung in China. Wie aus dem Weltwirtschaftsausblick hervorgeht, rät der IWF den Zentralbanken, ihre Zinsen rasch über das neutrale Niveau hinaus anzuheben.
Er rechnet für 2022 unverändert mit einem Anstieg des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,2 Prozent und senkte seine Prognose für 2023 - wie bereits von IWF-Chefin Kristalina Georgieva angekündigt - auf 2,7 (Juli-Prognose: 2,9) Prozent.
"Es besteht eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent, dass es sogar weniger als 2 Prozent werden", heißt es in dem Bericht. 2021 war die Weltwirtschaft noch um 6,0 Prozent gewachsen. Besonders deutlich wurden die BIP-Prognosen für Deutschland und Italien für 2023 zurückgenommen.
IWF warnt vor geopolitischen Verwerfungen durch Ukraine-Krieg
Der IWF warnt davor, dass der russische Krieg gegen die Ukraine und Spannungen in anderen Ländern zu "erheblichen geopolitischen Verwerfungen" führen könnten. "Obwohl die Auswirkungen der Pandemie in den meisten Ländern abgeklungen sind, stören ihre anhaltenden Wellen weiterhin die Wirtschaftstätigkeit, insbesondere in China", heißt es in dem Bericht weiter. Intensive Hitzewellen und Dürreperioden in Europa sowie in Mittel- und Südasien hätten zudem einen Vorgeschmack auf eine noch unwirtlichere Zukunft gegeben, die durch den globalen Klimawandel beeinträchtigt sein dürfte.
Der IWF rechnet für 2022 und 2023 mit einem Anstieg des US-BIP von 1,6 (2,3) und 1,0 (1,0) Prozent. Dem Euroraum traut der IWF 3,1 (2,6) und 0,5 (1,2) Prozent Wachstum zu. Die deutsche BIP-Prognose für 2022 wurde auf 1,5 (1,2) Prozent angehoben, aber 2023 sieht der IWF Deutschland in einer Rezession: Das BIP wird laut der aktuellen Prognose um 0,3 Prozent sinken, bisher war ein Zuwachs von 0,8 Prozent erwartet worden. Frankreich prognostiziert der IWF BIP-Zuwächse von 2,5 (2,3) und 0,7 (1,0) Prozent, die BIP-Prognosen für Italien lauten auf 3,2 (3,0) und minus 0,2 (plus 0,7) Prozent.
Deutschland besonders stark von Gaslieferkürzungen betroffen
"Die europäischen Volkswirtschaften - einschließlich der größten, Deutschland - sind den Auswirkungen der Gasversorgungsunterbrechungen ausgesetzt", schreibt der IWF. Die anhaltende Unsicherheit über die Energieversorgung habe zu einer Verlangsamung der realen Wirtschaftstätigkeit in Europa beigetragen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, was das Vertrauen der Verbraucher und - in geringerem Maße - das Geschäftsklima dämpfe.
Chinas Wachstumsprognosen wurden auf 3,2 (3,3) und 4,4 (4,6) Prozent zurückgenommen und Japans mit 1,7 /(,7) und 1,6 (1,7) Prozent angegeben. Russlands BIP-Prognose hob der IWF auf minus 3,4 (minus 6,0) und minus 2,3 (minus 3,5) Prozent an.
Diese Prognosen basieren laut IWF auf der Annahme, dass es bei den russischen Erdgaslieferungen nach Europa 2022 zu keiner drastischen Verringerung über das derzeitige Minus von rund 80 Prozent im Jahresvergleich hinaus kommt, dass die langfristigen Inflationserwartungen verankert bleiben, dass die geldpolitische Straffung keine breit angelegte Rezession auslöst und dass es zu keinen "ungeordneten Anpassungen" an den globalen Finanzmärkten kommt.
Reale Leitzinsen schnell und lange genug anheben
Der IWF weist darauf hin, dass die nominalen Leitzinsen sowohl in den Industrie- als auch den Schwellenländern über dem Vor-Corona-Niveau liegen, was wegen der hohen Inflation aber noch nicht für die Realzinsen gelte. "Die Priorität muss sein, die Inflation zu bekämpfen, die Zentralbankbilanzen zu normalisieren und die realen Leitzinsen schnell und lange genug über ihr neutrales Niveau hinaus anzuheben, um die Inflation und Inflationserwartungen unter Kontrolle zu halten", rät der IWF.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/apo
(END) Dow Jones Newswires
October 11, 2022 09:00 ET (13:00 GMT)
Copyright (c) 2022 Dow Jones & Company, Inc.