DJ Scholz: Regierung hält an Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen fest
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Mit einem Bündel von rund 190 Maßnahmen soll nach den Ergebnissen eines Bündnisses aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft "eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive" gestartet werden, um das von der Koalition ausgegebene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu erreichen. "Wir halten an dem Ziel fest, das muss ausdrücklich gesagt werden", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Entgegennahme eines Berichts, den das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" nach sechs Monaten Arbeit vorgelegt hat. "Wir wollen diese Zielsetzung verfolgen", betonte Scholz.
"Gerade auch, wenn jetzt die Zeiten viel schwieriger werden, um das Ziel zu erreichen, ist es richtig, dass wir das tun." Nichts habe sich geändert an dem Bedarf der Bevölkerung für bezahlbare Wohnungen. "Wer 400.000 Wohnungen bauen will, muss auch dazu beitragen, dass die Rahmenbedingungen dafür stimmen", hob er hervor. Nötig sei mehr Produktivität im Wohnungsbau. Serielles und modulares Bauen sei ganz wichtig, und man müsse auch digitaler agieren. "Selbstverständlich geht es nicht ohne umfassende Förderung", hob der Kanzler hervor.
Die Bündnismitglieder zeigten mit diesem Paket auf, wie sie gemeinsam das bezahlbare Wohnen voranbringen, beim Bauen Hürden abbauen, Potentiale stärken und Innovationen fördern wollen, erklärte das Bauministerium. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kündigte bei der Pressekonferenz unter anderem auch Erleichterungen beim Ausbau von Dachflächen und Vereinfachungen beim Vergaberecht sowie einen Personalaufbau in den Kommunen an.
Bündnis seit Anfang 2022
Geywitz hatte laut ihrem Ministerium Anfang 2022 das Bündnis ins Leben gerufen, dem Vertreter aus den Bundesländern, den kommunalen Spitzenverbänden, der Wohnungs- und Bauwirtschaft, den Gewerkschaften, Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen angehören, darunter Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozialverbände. Die Bündnismitglieder haben demnach in den vergangenen sechs Monaten auch über klimagerechten und ressourcenschonenden Wohnungsbau, Begrenzung der Baukosten, nachhaltige Bodenpolitik, Beschleunigung und investive Impulse beraten.
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe erklärte, nach einem guten Auftakt müssten die Vorschläge jetzt umgesetzt werden. Sozialer Wohnungsbau müsse erste Priorität bekommen. "Neben einem verbesserten Förderrahmen brauchen wir auch eine Verkürzung der Bearbeitungsfristen in Planungs- und Genehmigungsverfahren durch schnellere Entscheidungen und verbesserte Koordination der zuständigen Stellen, eine Stellenoffensive der öffentlichen Hand bis hin zu einer stärkeren Digitalisierung der Prozesse", sagte Verbandspräsident Reinhard Quast.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie mahnte in der aktuellen Situation weitere Anstrengungen an, um das politische Wohnungsbauziel zu erreichen. "Das Maßnahmenpaket enthält wichtige Punkte, um den Wohnungsbau in Deutschland voranzubringen. Wir stehen hinter dem Ergebnis", sagte Verbandspräsident Peter Hübner. "Allerdings befinden wir uns nicht in Normalzeiten, weshalb mehr nötig sein wird, um den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum auch in Krisenzeiten zu decken."
Wohnungswirtschaft: Ziel mittelfristig unerreichbar
Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, attestierte dem Maßnahmenpaket viele Schritte in die richtige Richtung, hielt das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen aber wegen verbleibender Hürden für "mittelfristig unerreichbar". In der aktuellen Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine müsse der Fokus auf Energieeinsparung und bezahlbare Effizienzmaßnahmen im Gebäudebestand gelegt werden. Eine Folgekostenabschätzung für alle neuen gesetzlichen Vorhaben, die das Bauen und Wohnen betreffen, sei notwendig. "Gerade angesichts von Material-, Fachkräftemangel, explodierenden Kosten und Zinsanstieg sind Lösungen für mehr Kostenstabilität und Planungssicherheit dringend notwendig."
Die im Verband deutscher Pfandbriefbanken organisierten Kreditinstitute begrüßten das Maßnahmenpaket, drangen aber auf Überprüfung von der Regulierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Belastungsfaktoren und der wirtschaftlichen Entwicklung halte der Verband das Ziel der Regierung, 400.000 neue und bezahlbare Wohnungen pro Jahr zu schaffen, davon 100.000 Sozialwohnungen, für äußerst ambitioniert. "Jede neue bezahlbare Wohnung in Deutschland wird gebraucht - unabhängig davon, ob das 400.000-Wohnungen-Ziel am Ende erreicht wird", betonte Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt aber.
Auch die Bundesingenieurkammer nannte das Ziel, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu errichten, "gerade unter den aktuellen Rahmenbedingungen überaus ambitioniert". Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum sei aber definitiv vorhanden. "Hierfür müssen aber die notwendigen gesetzlichen und vor allem finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden", forderte der Präsident der Organisation, Heinrich Bökamp. Die Regierung müsse zudem vorhandene Spielräume sinnvoll nutzen und dürfe etwa im Vergaberecht Möglichkeiten zur Verhinderung überbordender Bürokratie nicht leichtfertig opfern.
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