DJ Industrie pocht auf mehr europäische Souveränität
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat ein Grundsatzpapier zur Stärkung der europäischen Souveränität vorgelegt. "Risikovorsorge ist in den aktuellen geopolitischen Krisen das Gebot der Stunde", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Einzelne Staaten wendeten sich mehr und mehr von der regelbasierten internationalen Ordnung ab. Die Zusammenarbeit insbesondere mit gewichtigen Volkswirtschaften wie China müsse neu definiert werden. Europa sei mit massiven Rohstoffabhängigkeiten im Bereich der Energierohstoffe, bei kritischen Metallen und Technologien konfrontiert.
"Mit hoher Priorität muss die europäische Industrie ihre Abhängigkeiten reduzieren, um als Standort global wettbewerbsfähig zu bleiben", betonte Russwurm. Beschaffungs- und Absatzmärkte müssten breiter diversifiziert werden. Die EU komme nicht umhin, den Ausbau einer nachhaltigen Energieinfrastruktur mit Hochdruck voranzutreiben. Europa und insbesondere Deutschland würden auf lange Sicht ein Energieimporteur bleiben. "Die künftige Energieinfrastruktur sollte europaweit koordiniert werden, damit Versorgungsausfälle in einzelnen Mitgliedstaaten durch solidarisches Handeln vermieden werden können", forderte er.
Mit vereinten Kräften müsse die EU Schlüsseltechnologien und industrielle Fertigkeiten ausbauen, in denen Europa zukünftig führend sein wolle. Die Halbleiterproduktion müsse "als zentraler Befähiger ein Schwerpunkt europäischer Industriepolitik sein". Machine-Learning, künstliche Intelligenz und darauf aufbauende Anwendungen ließen sich nur mit leistungsfähigen Halbleiter-Bauelementen umsetzen. Für die Produktion und Entwicklung dieser Halbleiter brauche es Technologiekompetenz und eigene Produktionskapazitäten genauso wie mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung.
Zudem sei ein starkes europäisches Normungssystem für die strategische Souveränität Europas unerlässlich. Durch die Verbreitung staatlich getriebener nationaler Standards aus China bestehe aktuell die Gefahr einer Zersplitterung von Marktzugangsbedingungen. "Die EU muss ihre Normungsprozesse beschleunigen und praxistauglicher gestalten, etwa in der Wasserstoffwirtschaft, der künstlichen Intelligenz und Cybersicherheit", forderte Russwurm.
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October 31, 2022 05:58 ET (09:58 GMT)
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