DJ Deutsche-Bank-Chef fordert "Agenda 2030" für Europa
Von Matthias Goldschmidt
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Chef der Deutschen Bank hat angesichts zahlreicher Krisen wie dem Krieg in der Ukraine, der hohen Inflation und der großen Abhängigkeit Europas bei kritischen Rohstoffen und Technologien von anderen Weltregionen eine stärkere europäische Integration angemahnt. "Wir brauchen eine Agenda 2030 für Europa", sagte Christian Sewing beim European Banking Congress in Frankfurt. Dabei forderte er bessere Rahmenbedingungen für Banken.
Es brauche einen echten europäischen Heimatmarkt mit einer unabhängigen Energieversorgung und einem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit und Technologie, so Sewing. Für all diese Dinge würden Investitionen benötigt, weshalb eine größere finanzielle Autonomie notwendig sei. "Wir müssen dringend den Kurs ändern, wenn wir uns nicht primär auf ausländische Banken verlassen wollen, um Europas Zukunft zu finanzieren."
Es müssten die Bedingungen geschaffen werden, um mehr privates Kapital nach Europa zu locken, weshalb die Kapitalmarktunion vorangetrieben werden müsse, ohne die auch der "European Green Deal" nicht möglich sei. "Angesichts des Mangels an politischem Willen oder an Einigkeit in der EU wird es viele Jahre dauern, um die Kapitalmarktunion zu vollenden, selbst im Best-Case-Szenario", sagte er. Deswegen müsse man sich zunächst auf Maßnahmen konzentrieren die schnell wirken, wie die Erleichterung von Verbriefungen. Dieser Markt sei winzig im Vergleich zu den USA, was einer zu restriktiven Regulierung geschuldet sei. "Wir können es uns nicht mehr leisten, Finanzierungsquellen mit einem solchen Potenzial brachliegen zu lassen", sagte Sewing.
Außerdem forderte der Deutsche-Bank-Chef ein besseres Umfeld für Banken. Das regulatorische Umfeld erschwere es den Banken, stärker zu werden. Sie hätten in den vergangenen Jahren eine Stabilität und Profitabilität erreicht, die viele nicht für möglich gehalten hätten. Die Lücke zur US-Konkurrenz sei jedoch nach wie vor groß. Die Banken müssten deshalb effizienter werden, näher am Kunden sein und den technologischen Umbau und das Innovationstempo beschleunigen.
Er stellte klar, dass er die Regulierung nicht insgesamt in Frage stellen wolle. "Was mir Sorgen bereitet ist jedoch, dass das Pendel zu weit ausschlägt", sagte Sewing. Er fürchte weitere strukturelle Nachteile für die Branche. Angegangen werden müssten unter anderem eine Stärkung des europäischen Clearing-Geschäfts sowie ein Abbau der Hürden im Bereich Leveraged Finance, wo hohe Kapitalanforderungen eine gute Wettbewerbsfähigkeit erschwerten.
Grundsätzlich zeigte Sewing sich zuversichtlich, dass Europa eine stärkere Integration hinbekommt. "Es besteht die Hoffnung, dass Europa einmal mehr darin Erfolg hat, eine Krise als Ausgangspunkt zu nutzen, um wichtige Reformen anzugehen", sagte er.
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November 18, 2022 03:59 ET (08:59 GMT)
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