DJ EZB/Enria: Einige Banken sind nicht vorsichtig genug
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach den Worten des Chefs ihrer Bankenaufsicht, Andrea Enria, die Kapitalpläne einiger Banken und ihre Kreditvergabe an bereits hoch verschuldete Unternehmen genaue runter die Lupe nehmen. Enria sagte zur Eröffnung einer Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments außerdem, dass die EZB einen Fokus auf die Exponierung der Banken gegenüber energieintensiven Unternehmen richte. Die Aufsichtsschwerpunkte für 2023 sollen in den nächsten Wochen vorgestellt werden.
"Nach unserer vorläufigen Einschätzung scheint eine Reihe von Banken in ihren negativen Szenarien relativ milde makroökonomische Annahmen zu verwenden, was sich in moderaten Auswirkungen auf ihre Kapitalquoten niederschlägt", sagte Enria laut veröffentlichtem Redetext. Folglich würden die Aufsichtsbehörden die Kapitalplanung genau prüfen und die Maßnahmen des Managements in Frage stellen, um ein angemessenes Maß an Vorsicht zu gewährleisten.
Die Kreditvergabe an bereits hoch verschuldete Unternehmen (Leveraged Finance) bereitet der EZB weiterhin Kopfschmerzen. "Dies ist die risikoreichste Kategorie einer ohnehin schon risikoreichen Anlageklasse, und die Banken vergeben nach wie vor Kredite dieser Art", sagte Enria. Die EZB werde daher gezielte Folgemaßnahmen ergreifen. "Im Rahmen der diesjährigen aufsichtlichen Bewertung beabsichtigen wir, bei einer Handvoll von Banken Kapitalaufschläge gemäß Säule 2 vorzunehmen, da ihr Risikomanagement für fremdfinanzierte Transaktionen erhebliche Mängel aufweist", kündigte der Chef-Bankenaufseher an.
Ein besonderes Augenmerk der Aufsichtsbehörden liegt Enria zufolge auf Kreditengagements gegenüber energieintensiven Unternehmen. "Trotz bisher begrenzter Anzeichen für eine Notlage stehen viele energieintensive Sektoren am Anfang der Wertschöpfungskette, wo Störungen Kettenreaktionen auslösen können", sagte er. Die EZB prüfe seit Jahresbeginn vor allem die Kredit- und Derivatengagements gegenüber den größten Energierohstoffhändlern. "Wir haben auch Engagements im Energieversorgungssektor untersucht und beobachten die Entwicklungen an den Märkten für Energiederivate genau."
Die Engagements gegenüber Energieversorgern sind nach Enrias Angaben in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um rund 14 Prozent gestiegen, und eine weitere Kreditausweitung könnte die Banken näher an ihre internen Risikolimits bringen.
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December 01, 2022 03:34 ET (08:34 GMT)
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