DJ Drei NATO-Mitglieder treiben Verteidigungspakt mit Ukraine voran
Von Bojan Pancevski und Laurence Norman
BERLIN (Dow Jones)--Deutschland, Frankreich und Großbritannien sehen in engeren Beziehungen zwischen der NATO und der Ukraine eine Möglichkeit, Kiew zur Aufnahme von Friedensgesprächen mit Russland zu ermutigen, auch wenn Moskau weiterhin ukrainisches Territorium besetzt hält, wie Vertreter der drei Regierungen sagten.
Der britische Premierminister Rishi Sunak legte vergangene Woche einen Entwurf für ein Abkommen vor, das der Ukraine einen wesentlich umfassenderen Zugang zu moderner militärischer Ausrüstung, Waffen und Munition gewähren soll, damit sie sich nach Beendigung des nun seit einem Jahr währenden Krieges selbst verteidigen kann. Der Plan soll laut Sunak auf die Tagesordnung der Jahrestagung der NATO im Juli gesetzt werden.
Auch Paris und Berlin unterstützen die Initiative. Die drei Regierungen sehen darin eine Möglichkeit, das Vertrauen in die Ukraine zu stärken und der Regierung in Kiew einen Anreiz zu geben, Gespräche mit Russland aufzunehmen. Die Vertreter der drei Länder betonten jedoch, dass die Entscheidung darüber, wann und unter welchen Bedingungen Friedensgespräche aufgenommen werden, allein bei der Ukraine liege.
Sunak sagte am Freitag, der Westen solle der Ukraine Waffen geben, die ihr einen "entscheidenden Vorteil" auf dem Schlachtfeld verschaffen würden, einschließlich Kampfflugzeugen.
Der öffentlichen Rhetorik zum Trotz wachsen bei Politikern in Großbritannien, Frankreich und Deutschland Zweifel, ob die Ukraine in der Lage sein wird, die Russen aus der Ostukraine und der Krim, die Russland seit 2014 kontrolliert, zu vertreiben. Auch nimmt die Überzeugung zu, dass der Westen die Kriegsanstrengungen nur eine gewisse Zeit lang unterstützen könne, insbesondere wenn der Konflikt in eine Pattsituation münden sollte.
"Wir wiederholen immer wieder, dass Russland nicht gewinnen darf, aber was heißt das schon? Wenn der Krieg lange genug mit dieser Intensität andauert, werden die Verluste der Ukraine unerträglich werden", sagte ein hoher französischer Beamter. "Und niemand glaubt, dass sie in der Lage sein werden, die Krim zurückzuerobern."
Diese Äußerungen stehen in scharfem Gegensatz zu den öffentlichen Äußerungen von US-Präsident Joe Biden und anderen westlichen Staats- und Regierungschefs in dieser Woche, die zur Einigkeit aufriefen. Keiner von ihnen erwähnte die Möglichkeit, dass Kiew in naher Zukunft Gespräche mit Moskau aufnehmen könnte.
US-Beamte wollten sich nicht zu dem vorgeschlagenen NATO-Sicherheitspakt äußern. Washington hat erklärt, es strebe an, dass die Ukraine nach dem Krieg ausreichend bewaffnet sei, um jeden künftigen russischen Angriff abzuwehren. Auch die Bundesregierung lehnte eine Stellungnahme ab. Sprecher der britischen und der französischen Regierung reagierten nicht sofort auf Bitten um Stellungnahme.
Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen in Paris in diesem Monats gesagt, dass er Friedensgespräche mit Moskau in Betracht ziehen müsse, wie informierte Personen sagten. Bei einem Abendessen im Élysée-Palast habe Macron Selenskyj gesagt, dass auch Feinde wie Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Frieden schließen mussten.
Nach der Sicherheitskonferenz in München am vergangenen Wochenende war Macron einer der ersten westlichen Staats- und Regierungschefs, der öffentlich in Frage stellte, ob die Ukraine oder Russland ihre Ziele auf dem Schlachtfeld erreichen könnten. Keine der beiden Seiten können militärisch siegen, sagte er.
"Was wir jetzt brauchen, ist eine militärische Offensive der Ukraine, die die russische Front zurückdrängt, um den Weg für eine Rückkehr zu Verhandlungen zu öffnen", sagte Macron der französischen Presse.
Ein britischer Beamter sagte, ein weiteres Ziel des NATO-Paktes sei es, das Kalkül des Kremls zu ändern. Wenn Moskau sehe, dass der Westen bereit sei, seine militärische Unterstützung und seine Verpflichtungen gegenüber der Ukraine im Laufe der Zeit zu erhöhen, könnte dies dazu beitragen, Moskau davon zu überzeugen, dass es seine militärischen Ziele nicht erreichen kann.
Theoretisch könnte jedes NATO-Mitglied ein Veto gegen den Vorschlag Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands einlegen, aber das Verteidigungsbündnis arbeitet nach dem Konsensprinzip, und eine solche Initiative würde auf einem Gipfeltreffen nicht einmal erörtert werden, wenn sie nicht auf breite Unterstützung im Bündnis stoßen würde.
Der in Aussicht gestellte Pakt würde keine Verpflichtung zur Stationierung von NATO-Truppen in der Ukraine beinhalten, sagten die Vertreter der drei Länder. Auch würde er Kiew nicht den so genannten Schutz nach Artikel 5 bieten, der alle Mitglieder verpflichtet, einem anderen Land zu Hilfe zu kommen, wenn es angegriffen wird und um Unterstützung bittet. Der Ukraine würden jedoch die militärischen Mittel zur Verfügung gestellt würden, um einen künftigen russischen Angriff abzuwehren.
(Mitarbeit: Sabrina Siddiqui und Drew Hinshaw)
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February 24, 2023 13:47 ET (18:47 GMT)
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