DJ Lindner sieht keine systemische Finanzkrise
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht trotz der jüngsten Bankenturbulenzen keine systemische Krise des Bankensektors und hat davor gewarnt, eine regulatorische Reaktion darauf auf das gesamte Bankensystem zu erstrecken. Die deutschen Kreditinstitute hätten eine gestärkte Kapitalbasis, Zugang zu Liquidität und seien vor allem profitabel. "Deshalb haben wir keine systemische Banken- und Finanzkrise", betonte Lindner beim Jahresempfang des Bundesverbandes deutscher Banken in Berlin. Es gebe Schwierigkeiten bei einzelnen Instituten. Deshalb sollten sich die Schlussfolgerungen auch nur auf einzelne Institute beziehen.
Lindner betonte regulatorische Fortschritte seit der Bankenkrise von vor 15 Jahren. "Wir sind in einer anderen Situation auch für den Fall einer Ultima ratio als seinerzeit", hob Lindner hervor. Sollte es Risiken geben, dann lägen die möglicherweise in Bereichen, "in denen Aufsicht noch nicht die volle Sichtweise hat", sagte er mit Blick auf die Schattenbanken. Der Finanzminister drang auf eine Konsolidierung und Prioritätensetzung im Budget für 2024 und lehnte zugleich auch aus der Union vorgeschlagene Steuererhöhungen ab. "Der wirkliche Test der haushaltspolitischen Solidität kommt im Jahr 2024", sagte Lindner.
Es gebe eine Herausforderung hinsichtlich der Prioritätensetzung. "Diese Konsolidierungsaufgabe müssen wir aber nun leisten." Der Staat könne mit Ausgaben auf Pump nicht weiter das Risiko eingehen, die Inflation zu befeuern. Auch gelte es, die normative Ausgabe zu erfüllen, nicht mehr Geld zu verteilen, als erwirtschaftet werde. "Dieser Herausforderung stellen wir uns." Dies sei verfassungsrechtlich geboten und ökonomisch sinnvoll. In diesem Jahr sei eine besondere "Konsolidierungsaufgabe" erforderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung sei "bedauerlicherweise enttäuschend", betonte der Finanzminister. In dieser Situation wäre eine Erhöhung der steuerlichen Belastung "geradezu ein Anschlag" auf die wirtschaftliche Erholungsperspektive", warnte er.
Lindner betonte, die Rückkehr zu Preisstabilität sei "von einer außerordentlichen Bedeutung für die Geld- wie die Fiskalpolitik". Inflation sei nicht nur eine Bedrohung für die privaten Haushalte, sondern auch für die Finanzstabilität. "Inflation ist nicht zuletzt auch für die wirtschaftliche Entwicklung damit ein Risiko." Deshalb müssten die Anstrengungen zur Bekämpfung der Inflation verstärkt werden. Der Bundesfinanzminister betonte zudem, es gebe in Europa den politischen Willen zu einer Kapitalmarktunion, der Teufel liege dazu jedoch im Detail. Ein Vorteil Europas liege aber in starken Kapitalmärkten, deshalb müsse man hier Fortschritte machen.
Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Christian Sewing, sagte, man habe den Winter ökonomisch besser überstanden, als viele dies befürchtet hätten. "Allerdings bleibt die Lage weiter angespannt", betonte der Vorstandschef der Deutschen Bank. Die Inflation sei nach wie vor viel zu hoch, und die Wirtschaft werde voraussichtlich dieses Jahr stagnieren. Sewing sagte, es gebe "Sorgen um die Finanzstabilität. Sorgen, die wir nachvollziehen können, aber für unbegründet halten. Es gab und es gibt keine Parallelen zu deutschen und anderen europäischen Banken." Die Kapitalmarktunion nannte Sewing "das günstigste Konjunkturprogramm für Europa". Ohne sie werde Europa "den Green deal nicht verwirklichen können".
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April 17, 2023 13:51 ET (17:51 GMT)
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