DJ Agora Energiewende erwartet Stilllegung von über 90% der Gasverteilnetze
BERLIN (Dow Jones)--Die Denkfabrik Agora Energiewende rechnet damit, dass über 90 Prozent des gut 500.000 kilometerlangen deutschen Gasverteilnetzes bis 2045 stillgelegt werden muss. Wegen der angestrebten Klimaneutralität und der zunehmenden Nutzung von Wärmepumpen gebe es dann für den Großteil der bestehenden Gasverteilnetze absehbar keine Verwendung mehr. Ohne eine geordnete Stilllegung oder eine bedarfsorientierte Umrüstung der Netze auf Wasserstoff drohten allerdings bis 2044 gestrandete Vermögenswerte von bis zu 10 Milliarden Euro und eine Versechzehnfachung der Netzentgelte für Gaskunden, wie es in einer neuen Studie von Agora Energiewende heißt.
Um diesen Anstieg bei den Netzentgelten zu vermeiden, müssten die Regelungen für die Planung und Finanzierung der Gasverteilnetze rasch auf die Klimaziele ausgerichtet werden.
"Der Aufbau einer Infrastruktur für die klimaneutrale Wärmeversorgung erfordert ein schnelles Umdenken. Der Abschied vom Erdgas und der Umstieg auf grüne Fernwärme und Wärmepumpen stellen neue Anforderungen an das Energienetz", sagte Simon Müller, Direktor Deutschland von Agora Energiewende.
Die geordnete und rechtzeitige Stilllegung der Gasverteilnetze sei eine zentrale Aufgabe in der Wärmewende. Dadurch könnten die Ausstiegskosten gesenkt und Planungssicherheit geschaffen werden, was Netzbetreibern gleichermaßen zu Gute kommt.
Nur ein Bruchteil des heutigen Erdgasbedarfs dürfte laut Müller durch erneuerbaren Wasserstoff ersetzt werden. Er verwies auf Studien, die davon ausgehen, dass 2045 der Wasserstoffbedarf weniger als 30 Prozent des aktuellen Erdgasbedarfs betragen wird und vor allem in Kraftwerken und Industrieanlagen anfällt.
Das Bundeskabinett wird voraussichtlich am morgigen Mittwoch das Gebäudeenergiegesetz beschließen, mit dem die Wärmewende auf den Weg gebracht werden soll. Ab 2024 sollen nur noch solche neuen Heizungen eingebaut werden dürfen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Damit wird der Einbau reiner Öl- und Gasheizungen weitgehend verboten. Die Regierung setzt vor allem auf Wärmepumpen als neue Heizungsform, die mit Strom betrieben wird. Die Nutzung von Fernwärme, Holzpellets und Biomasse soll auch möglich sein.
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April 18, 2023 10:38 ET (14:38 GMT)
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