DJ EZB: Wohlstandverlust durch Inflation 2021/22 höher als in Rezessionen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der starke Anstieg der Verbraucherpreise in den Jahren 2021 und 2022 hat den Haushalten in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien nach Erkenntnissen der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich höhere Wohlstandsverluste als eine typische Rezession beschert. Wie es in einem jetzt veröffentlichten EZB-Bericht heißt, verloren die Haushalte in den vier größten Volkswirtschaften des Euroraums in diesen zwei Jahren unter Berücksichtigung staatlicher Hilfsmaßnahmen 3 bis 4 Prozent ihres verfügbaren Einkommens, wobei der Verlust in Italien mit 8 Prozent am deutlichsten war.
Die wichtigste Ursache für nationale Differenzen war die Höhe der Inflation, die in Italien über zwei Jahre 20 Prozent erreichte, in Deutschland 16 Prozent und in Frankreich sowie Spanien 10 Prozent.
Die Untersuchungen zeigten aber auch, dass es aufgrund der Staatshilfen Gewinner gab - vor allem bei jüngeren Leuten. "Italienische Rentner mit niedrigem Einkommen verloren bis zu 20 Prozent ihres Zweijahreseinkommens im Zeitraum 2021/2022, während junge Haushalte in Spanien über 5 Prozent gewannen", schreiben die Autoren des EZB-Berichts ("Who bears the costs of inflation? Euro area households and the 2021-2022 shock").
Haushalte mittleren Alters verloren demnach in allen vier Ländern etwa 5 Prozent ihres Einkommens. Insgesamt waren aber etwa 30 Prozent der Haushalte im Euroraum - und fast die Hälfte der 25- bis 44-Jährigen - Nettogewinner des Inflationsschocks. Sie profitierten vor allem davon, dass sie im Durchschnitt Nettoschuldner waren und Hypothekenkredite abzahlten, deren realer Wert wegen der Inflation sank. Dieser Effekt war in Spanien besonders stark und in Deutschland besonders schwach.
Die wichtigste Ursache dieses Altersprofils der Wohlfahrtskosten war der nominale Anteil des Finanzportfolios, also von Spareinlagen, der für Rentner in allen Ländern positiv und hoch war. Ältere Haushalte, insbesondere Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen, mussten außerdem einen größeren Teil ihrer Renten für Heizung und Lebensmittel ausgeben, deren Preise im Vergleich zu den übrigen Haushalten am stärksten gestiegen waren.
Gedämpft wurden die negativen Vermögenseffekte für die ärmeren Haushalte dagegen von den stabilen Mieten. Während die Inflation in Deutschland und Italien vor allem von den Energiepreisen ausgelöst wurde, waren es in Spanien vor allem die Nahrungsmittelpreise.
Wichtigste Übertragungskanäle bei der Entstehung der Wohlfahrtverluste waren die Erosion des Arbeitseinkommens aufgrund unveränderter Löhne und die Veränderung des realen Werts der nominalen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten.
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November 21, 2023 07:30 ET (12:30 GMT)
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