DJ IMK: Rezessionsgefahr noch weiter gestiegen
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist in den vergangenen Wochen auf bereits hohem Niveau leicht gestiegen. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, wie das IMK mitteilte. Für den Zeitraum von November bis Ende Januar 2024 weise der Indikator eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 75,9 Prozent aus. Anfang Oktober betrug sie für die folgenden drei Monate 73 Prozent. Das nach dem Ampelsystem arbeitende Konjunktur-Frühwarnsystem zeige wie in den Vormonaten "rot", was für eine akute Rezessionsgefahr steht.
Das hohe Niveau und die Zunahme des Rezessionsrisikos beruht laut IMK vor allem auf den Rückgängen der Produktion in der Industrie und dem Baugewerbe, die im Indikator eine große Rolle spielen. Neue, zusätzliche Produktionsdaten aus dem Dienstleistungssektor, die das Institut in diesem Monat erstmals testweise in den Indikator einspeise, unterstrichen, dass die Flaute im verarbeitenden Gewerbe weiterhin besonders hartnäckig sei: Würde der Indikator die neuen Daten aus den Dienstleistungsbranchen voll berücksichtigen, stünde die gesamtwirtschaftliche Konjunkturampel für die kommenden drei Monate nur auf "gelb-rot". Allerdings seien diese Daten, die Statistisches Bundesamt und Bundesbank erst seit Kurzem veröffentlichten, bislang besonders revisionsanfällig.
"Die neuen Ergebnisse des IMK-Konjunkturindikators verdeutlichen die schwache Entwicklung des Produzierenden Gewerbes im Vergleich zum Dienstleistungssektor", sagte IMK-Konjunkturexperte Thomas Theobald. "Dieses Bild einer sektoral gespaltenen Konjunktur zeigt sich auch in aktuellen Konjunkturumfragen." Zwar nähre der Blick auf den Dienstleistungssektor die Hoffnung, dass sich ab dem vierten Quartal 2023 bei nachlassender Inflation ein moderates konsumgestütztes Wirtschaftswachstum ergebe. "Aber die schwache industrielle Entwicklung dürfte allenfalls eine geringfügige Zunahme ermöglichen."
IMK-Chef Sebastian Dullien betonte, in der aktuellen Situation sei es "umso wichtiger, die Konjunktur nicht mit zusätzlichen Sparmaßnahmen zu destabilisieren". Derzeit stehe im Raum, dass die Bundesregierung nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds im kommenden Jahr wichtige Transformationsausgaben kürze. "Eine solche Politik sollte unbedingt unterbleiben", forderte Dullien. Stattdessen sollte die Bundesregierung erneut die Notlage nach den Regeln der Schuldenbremse erklären, um nicht kommendes Jahr zu einer massiv bremsenden Finanzpolitik gezwungen zu sein.
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November 23, 2023 03:55 ET (08:55 GMT)
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