
DJ MARKT-AUSBLICK/DAX auf dem Weg zu neuen Allzeithochs
Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Stimmung an den Börsen hat sich wieder verbessert, die Anleger wieder in Rekordlaune. Die Inflation in den USA ist weiter auf dem Rückmarsch. Die EZB hat die Zinsen wie erwartet gesenkt, weitere Zinssenkungen dürften folgen, wenn auch vermutlich nicht unmittelbar. Und es gilt als ausgemacht, dass die US-Notenbank die Leitzinsen in der kommenden Woche ebenfalls senken wird. Der wichtigste Grund aber, warum es an den Börsen wieder nach oben geht, ist der Glaube der Anleger, dass die Zentralbanken gerade noch rechtzeitig den Zinssenkungszyklus eingeleitet haben, um eine Rezession zu vermeiden.
Nach der EZB steht in der kommenden Woche die geldpolitische Entscheidung der US-Notenbank auf der Agenda. Dass die Währungshüter die Leitzinsen senken werden, gilt als ausgemacht. Die Frage ist nur, ob es nur 25 Basispunkte (Bp) oder doch gleich 50 Bp werden. Die Börsen würden einen großen Schritt in einer ersten Reaktion wohl begrüßen, wohl aber nur kurz, denn ein solcher würde möglicherweise neue Wachstumssorgen auslösen. Eine Senkung um 50 Bp könnte nach Einschätzung der Commerzbank für viele Investoren ein Beleg dafür sein, dass sich die Fed wirklich Sorgen um die Wirtschaft mache und möglicherweise zu lange mit der Zinswende abgewartet habe; einen solchen Eindruck dürfte die Fed wohl kaum erwecken wollen.
Ohne Rezession sind Zinssenkungen ein Geschenk
"Ohne Rezession sind die Leitzinssenkungen ein Geschenk, da sie das Gewinnwachstum der Unternehmen ohne bremsenden Effekt einer allzu starken wirtschaftlichen Abkühlung beflügeln. Gerade zu einer Zeit, in der die Gewinne im S&P-500 ein neues Rekordhoch erreicht haben", heißt es bei CMC. Die Saisonalität weise in diesem Jahr eine bullische Verschiebung auf. Der DAX habe ein wichtiges Korrekturtief erreicht, und zwar gut zwei Monate vor dem eigentlich zu erwartenden Datum. "Im Moment setzen die Anleger alles auf eine Karte, auf die einer rezessionsfreien Zinssenkungsphase der EZB und Fed. Die Zeit wird zeigen, ob sie damit richtig liegen."
Ob es zu einer Rezession kommt, ist für den Aktienmarkt entscheidend. Denn in der Vergangenheit hat die Zinswende der Fed den US-Aktien nur dann neuen Schwung verliehen, so die Commerzbank, wenn eine Rezession ausblieb. "Dies zeigt der Blick auf den S&P-500-Index in den 200 Handelstagen vor und nach der jeweils ersten Zinssenkung. So stabilisierte die Fed mit ihren Zinssenkungen 1995, 1998 und 2019 die Konjunktur, und die Aktienkurse stiegen kräftig (wobei die 2019er Kurs-Rallye später durch die Pandemie beendet wurde). Dagegen stürzten die Kurse in den Jahren 2001 und 2007 nach den ersten Zinssenkungen ab, weil die Wirtschaft in eine Rezession rutschte, welche deutlich fallende Unternehmensgewinne zur Folge hatte", so die Analysten.
US-Präsidentschaftswahlkampf spielt bislang an Börsen kaum eine Rolle
Angesichts der Wachstumsschwäche der europäischen und chinesischen Wirtschaft, ist hierbei die Frage der Entwicklung in den USA von entscheidender Bedeutung für die Märkte. Und wie die Commerzbank erläutert, haben die Risiken in den vergangenen Monaten zugenommen. "Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Wohnungsbau, der zu Jahresanfang noch positive Wachstumsbeiträge geliefert hatte, im Sommer erneut eingebrochen ist. Die Frage ist auch, wie lange die US-Konsumenten ihr recht hohes Verbrauchstempo durchhalten können. Die Sparquote ist deutlich gefallen und liegt aktuell nur noch bei knapp 3 Prozent und damit deutlich unter den gut 6 Prozent von vor der Coronakrise", heißt es.
Bislang hat der US-Präsidentschaftswahlkampf praktisch keine Rolle an den Börsen gespielt. Das muss aber nicht so bleiben. Denn im Anschluss an die Fed-Sitzung dürften sich die Anleger auf die Suche nach neuen Themen machen. Die Berichtssaison hat noch nicht begonnen, während die Konflikte im Nahen Osten und der Ukraine weiterschwelen, aber substanziell aus Marktsicht wenig Neues bieten. Das kann sich natürlich ändern, sollte sich etwa der Konflikt zwischen Israel und dem Iran verschärfen. Zumindest bislang aber hat Teheran auf die Ermordung von Hamas-Führer Ismail Haniyeh in der iranischen Hauptstadt besonnen reagiert.
Ein Trump-Sieg könnte für Europas Börsen unangenehmer werden als US-Rezession
Laut Umfragen ist Kamala Harris als Siegerin aus der TV-Debatte mit Donald Trump hervorgegangen. JP Morgan verweist auf FiveThirtyEight - danach hat Harris eine Führung von 2,8 Prozentpunkten. Allerdings liege die Fehlerquote bei 2 bis 3 Prozent. "Beide Kandidaten liegen also statistisch betrachtet gleichauf", so die Analysten. Hinzu kommt, dass Experten glauben, dass Harris einen Vorsprung von 4 bis 5 Prozentpunkten benötigt, um sich eines Sieges in der Novemberwahl sicher sein zu können. Das hängt mit dem System der insgesamt 538 Wahlleute der einzelnen Bundesstaaten zusammen. Letztlich wählen diese den neuen US-Präsidenten. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den sogenannten "Swing States" zu, also Staaten, die sowohl an Trump oder Harris gehen könnten.
Ein Sieg von Trump hat das Zeug, für die hiesigen Aktienmärkte unangenehmer zu werden als eine Rezession in den USA. Nicht nur hat Trump damit gedroht, Europa den militärischen US-Schuzschild zu entziehen, der seit Ende des Zweiten Weltkrieges von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit in der Region ist. Auch hat Trump Mindestimportzölle auf europäische Güter von 10 Prozent angekündigt. Laut Schätzungen könnte das eine Reduktion der EU-Exporte in die USA im Volumen von 150 Milliarden Euro jährlich zur Folge haben. Der US-Markt hat aber den chinesischen als wichtigsten Wachstumstreiber abgelöst. Entsprechend viel steht für europäische, und hier speziell deutsche, Unternehmen auf dem Spiel.
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September 13, 2024 06:28 ET (10:28 GMT)
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