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BIRMINGHAM (dpa-AFX) - "Großbritanniens Tories sind die erfolgreichste Partei der Welt" - titelte das Wochenmagazin "Economist" vor einigen Jahren, als Ex-Premier Boris Johnson als strahlender Sieger aus der Wahl hervorging. "Get Brexit Done" (Brexit durchziehen) lautete der Slogan, der ihm zum Triumph verhalf. Johnson veröffentlicht in diesen Tagen seine Memoiren.
Fünf Jahre später sieht es für die Partei Winston Churchills und Margaret Thatchers mau aus. Mit nur 121 Abgeordneten hatten die Konservativen bei der Parlamentswahl im Juli so schlecht abgeschnitten wie noch nie in ihrer bis in die 1830er-Jahre zurückreichenden Geschichte. Der scheidende Parteichef und Ex-Premier Rishi Sunak ließ sich bei der Parteikonferenz in dieser Woche in Birmingham kaum blicken.
Vier Kandidaten wollen die Partei führen
Bei der Konferenz geht es darum, wer die Partei in die Zukunft führt. Doch welches Rezept kann die Tories wieder in den Regierungssitz Downing Street bringen? Welches führt sie möglicherweise noch weiter in die Krise? Darum tobt hinter den Kulissen ein gewaltiger Richtungsstreit.
Vier Bewerberinnen und Bewerber sind noch im Rennen: Ex-Migrationsstaatssekretär Robert Jenrick, Ex-Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch, James Cleverly, der als Innen- und als Außenminister gedient hat, sowie Tom Tugendhat, Ex-Staatssekretär für Sicherheit. Bei zwei weiteren Wahlrunden innerhalb der Fraktion in der kommenden Woche sollen zwei davon ausscheiden. Dann entscheiden die Mitglieder.
Die Parteibasis steht überwiegend weit rechts
Dabei geht es nach Ansicht des Ex-Bürgermeisters der Metropolregion Birmingham, Andy Street, um nichts weniger als die Seele der Partei. Er beschwört seine Parteifreunde, sich gegen den Trend zu stemmen, Rechtspopulisten nach dem Mund zu reden. "Wir führen dieses Gespräch am Tag nach den Wahlergebnissen in Österreich. Wissen Sie, was in Deutschland passiert? Sie können das Risiko alle sehen", mahnt er.
Politikprofessor Anand Menon vom King's College in London hält diese Befürchtung für berechtigt: "Ich denke, das sehen wir in ganz Europa. Wenn man versucht, sich der extremen Rechten anzupassen, verliert man", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Doch die Zeichen stehen auf Rechtsruck. Denn obwohl viele Tory-Abgeordnete noch immer als moderat gelten, steht die Parteibasis überwiegend weit rechts.
Jenrick setzt auf Wiederholung der Brexit-Strategie
Jenrick liegt nach ersten Auswahlrunden in der Fraktion vorn. Der einst relativ moderate Politiker hat seine Mitbewerber alle rechts überholt. Er setzt auf eine Wiederholung der Brexit-Strategie. "Wir leben in einem Zeitalter der Masseneinwanderung", sagt er vor Parteimitgliedern. Das müsse aufhören. Und er hat eine einfache Antwort parat: den Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Der 42-Jährige hat den Blick vor allem auf Wähler gerichtet, die für Reform UK gestimmt haben, die Partei des Rechtspopulisten und Brexit-Vorkämpfers Nigel Farage. Die Angst vor Farage hatte die Tories schon in das folgenschwere Brexit-Referendum getrieben.
Jenrick schloss zeitweise selbst eine Aufnahme des Reform-UK-Chefs in seine Partei nicht aus: Ein gefährliches Spiel, denn Farage macht keinen Hehl daraus, dass er die Konservativen am liebsten übernehmen würde - und er gilt als charismatischer als jeder der vier Kandidaten für das Amt des Tory-Parteichefs.
Tugendhat will Wähler von allen Seiten anziehen
Am anderen des Spektrums steht der als Außenseiter geltende Tom Tugendhat, ein einstiger Brexit-Gegner und Veteran, der im Irak und Afghanistan gedient hat. "Meine Aufgabe ist es, die Konservative Partei zu reformieren, nicht zur Reform-Partei zu werden", sagt er. Die Partei müsse Wähler von allen Seiten des politischen Spektrums zurückgewinnen.
Wahlanalysen und Umfragen bestätigen das. Politikprofessor Tim Bale von der Queen Mary University in London sagt den Tories für den Fall eines weiteren Rechtsrucks voraus, dass sie ein Jahrzehnt von der Macht ausgeschlossen sein könnten.
Zwischen Jenrick und Tugendhat stehen die ebenfalls weit rechts positionierte Kemi Badenoch und der pragmatische und nahbar wirkende James Cleverly. Mit ihm, so scheint es, wäre ein Abdriften in den Rechtspopulismus noch abzuwenden. Britischen Medien zufolge konnte er bei der Parteikonferenz am ehesten punkten. Seine von Humor und einfachen Botschaften geprägte Rede kam beim Publikum an. Doch ob er es in die Runde der letzten Zwei schaffen wird, bleibt ungewiss. Sollten Jenrick oder Badenoch als Sieger aus dem Rennen um die Parteiführung hervorgehen, scheint der Weg der Partei vorgezeichnet./cmy/DP/ngu