
DJ Kommunen fordern Kurswechsel wegen steigendem Finanzierungsdefizit
Von Andrea Thomas
DOW JONES--Die Kommunen haben angesichts ihres wachsenden Finanzierungsdefizits vor einer Handlungsunfähigkeit der Städte und Gemeinden gewarnt und einen Kurswechsel gefordert. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht das Finanzierungsdefizit bei mehr als 17 Milliarden Euro. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag das Minus im Jahr 2023 noch bei 6,8 Milliarden Euro. Als Konsequenz forderte der Verband einen grundlegenden Kurswechsel und ein Moratorium bei neuen staatlichen Leistungen. Die Bundesregierung dürfe den Kommunen nicht einfach immer mehr Leistungen aufbürden. Allein bei den Ausgaben für soziale Leistungen verzeichnen die Kommunen dem Verband zufolge Jahr für Jahr Anstiege im zweistelligen Prozentbereich. Für 2025 schätzt der Städte- und Gemeindebund die Ausgaben für diesen Bereich erstmals auf mehr als 80 Milliarden Euro.
"Die Lage der Städte und Gemeinden ist prekär", sagten der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, Uwe Brandl, und Hauptgeschäftsführer André Berghegger in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Trotz aller Anstrengungen schaffen es die meisten Kommunen nicht mehr, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden ist in Gefahr."
Kommunen müssten seit mehr als 20 Jahren immer mehr Leistungen erbringen, ohne dafür von Bund und Ländern eine ausreichende Gegenfinanzierung zu erhalten. So könne und dürfe es nicht weitergehen. Der Verband warnte, dass die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden in Deutschland durch verschiedene Faktoren akut bedroht sei. So stiegen die Ausgaben für soziale Leistungen ungebremst an. Gleichzeitig sei die konjunkturelle Lage angespannt, die Einnahmen stagnierten. Hinzu kämen Transformationsaufgaben, wie etwa der Umbau des Energiesystems oder die Anpassung an den Klimawandel.
"Die Grenze des Leistbaren ist vielerorts erreicht. Für immer neue und komplexere Aufgaben fehlt den Kommunen nicht nur das Geld, sondern immer häufiger auch das Personal. Es ist ein grundlegender Kurswechsel notwendig", forderten Brandl und Berghegger.
Beide warnten, wo die Infrastruktur bröckele, Daseinsvorsorgeleistungen nur noch mit Mühe erbracht werden könnten und Streichungen bei Sport- oder Kulturangeboten notwendig würden, sinke die Zufriedenheit der Menschen und damit auch das Vertrauen in den Staat insgesamt.
Anpassungen bei Sozialleistungen nötig
Angesichts der geschätzten Höhe der Sozialausgaben von mehr als 80 Milliarden Euro in diesem Jahr mahnte der Städte- und Gemeindebund, dass neue Standards, Rechtsansprüche und gesetzliche Leistungen nicht mehr erfüllbar seien, ohne dass das Bestehende ehrlich überprüft und angepasst werde. Außerdem müsse die Bundesregierung den Grundsatz "Wer bestellt, bezahlt" anwenden bei ihren Leistungsversprechen. Städte und Gemeinden dürften nicht länger Ausfallbürgen für Bund und Länder sein.
"Dieser ungebremste Anstieg darf so nicht weitergehen. Es muss gelingen, soziale Leistungen zielgenauer und effizienter zu gestalten", warnte der Verband mit Blick auf die steigenden Sozialausgaben.
Gleichzeitig mahnte der Städte- und Gemeindebund, dass die Chancen der Digitalisierung konsequenter genutzt werden müssten. Deutschland sei seit vielen Jahren zu zögerlich, wenn es um Digitalisierung gehe. Anstatt die Bedenken zu diskutieren, müsste das Land die Chancen und Potenziale nutzen. Automatisierung und Künstliche Intelligenz könnten deutlich zu einer Entlastung der Kommunen beitragen, so der Verband.
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January 03, 2025 04:00 ET (09:00 GMT)
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