DJ BIZ: Inflation Targeting ist flexibler geworden
Von Hans Bentzien
DOW JONES--Das Verfolgen eines Inflationsziels (Inflation Targeting) ist seit 1990 weltweit zur bestimmenden geldpolitischen Strategie geworden. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) erklärt sich die Dauerhaftigkeit dieses Ansatzes auch mit erfolgreichen Bemühungen der Zentralbanken, ihn zu flexibilisieren. Die Autoren der im Rahmen des BIZ-Quartalsberichts veröffentlichten Studie (Claudio Borio und Matthieu Chavaz) schreiben: "Zwar ist die Spezifikation der numerischen Ziele strenger geworden (zum Beispiel Punktziele anstatt von Zielspannen), doch ist der Zeitraum, innerhalb dessen sie erreicht werden sollen, vager und länger geworden."
Zudem haben nach ihrer Erkenntnis andere Ziele als Inflation, besonders Beschäftigung, Produktion und - in geringerem Ausmaß - Finanzstabilität an Bedeutung gewonnen. Diese Trends sind in der Regel stärker in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, was die Unterschiede zu den aufstrebenden Volkswirtschaften tendenziell vergrößert. Borio und Chavaz zufolge haben ein höheres Vertrauen in das Erreichen des Inflationsziels und in die Glaubwürdigkeit des Rahmenwerks, die in strengeren numerischen Zielen, aber längeren Zeithorizonten zum Ausdruck kommt, den Spielraum für die Verfolgung anderer Ziele geschaffen.
Eine Rolle spielte demnach aber auch, dass Zentralbanken in der Zeit nach der Großen Finanzkrise oft Mühe hatten, die hartnäckig niedrige Inflation wieder auf das Zielniveau zu bringen. Damals nahm die Flexibilität der Zielvorgaben der Zentralbanken der Industrieländer ab. "Beispiele für diesen Trend sind die Abschaffung von Bandbreiten (Euroraum) oder Toleranzintervallen (Schweden) und die Einführung von Mittelwerten (Australien)", schreiben die Ökonomen.
Dahinter habe die Sorge vor einer Entankerung der Inflationserwartungen in einer Zeit gestanden, in der die Inflation hartnäckig unter dem Zielwert lag und das Risiko einer kostspieligen Deflation bestand. Eine bessere Verankerung hätte zumindest kurzfristig mehr Spielraum geboten, die Realwirtschaft höher zu gewichten.
In keiner der untersuchten Industrieländer gab sich die Zentralbank nach der globalen Finanzkrise ein formelles Finanzstabilitätsziel. Stattdessen ergänzten fast alle Zentralbanken der Industrieländer ihre Strategieerklärungen um Finanzstabilitätsklauseln. Vor der Finanzkrise hatten nur Kanada und Schweden (beide 2006) solche Klauseln eingeführt, die ein Vorgehen gegen finanzielle Ungleichgewichte in beiden Fällen ermöglichten.
Mitte der 2010er Jahre wurden Klauseln zum Beispiel in Neuseeland, Norwegen und in Großbritannien eingeführt. Allerdings verloren diese Klauseln an Bedeutung, als die Rolle makroprudenzieller Instrumente zunahm. Kanada beispielsweise strich die Klausel 2016 und erklärte, sie nie aktiviert zu haben. In Australien wurde eine solche Klausel zwar 2016 hinzugefügt, aber 2023 nach einer Strategieprüfung wieder gestrichen.
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March 11, 2025 08:00 ET (12:00 GMT)
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