
DJ KONJUNKTUR IM BLICK/Überall Krise - nur nicht in den Daten
Von Hans Bentzien
DOW JONES--Die Welt scheint gerade in eine von Zollstreitigkeiten ausgelöste Wirtschaftskrise zu stolpern: Einfuhrzölle von über 100 Prozent werden verhängt, alte Verteidigungsbündnisse wanken, beunruhigende neue Allianzen scheinen zu entstehen - Endzeitstimmung allenthalben. Aber in den harten Konjunkturdaten ist davon bisher nichts zu sehen. In der nächsten Woche dürfte es dabei bleiben, denn die anstehenden BIP- und Preisdaten dürften Wirtschaftswachstum bei sinkender Inflation signalisieren. Ausnahme sind - zumindest bezüglich des Wachstums - die USA. Herz, was willst du mehr?
Viele BIPs an einem Tag - 1. Mai lässt grüßen
Die Statistiker der Welt haben den Mittwoch zum Tag der Datenveröffentlichungen erkoren. In Europa und den USA werden Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des ersten Quartals veröffentlicht: Der Reigen beginnt mit Frankreich (7.30), setzt sich mit Deutschland (8.00 Uhr) sowie dem Euroraum (11.00 Uhr) fort und mündet schließlich in das US-BIP (14.30 Uhr). Die eine oder andere Zahl wäre vielleicht erst am Donnerstag veröffentlicht worden, aber auf den Tag hat der liebe Gott in diesem Jahr den 1. Mai gelegt - woran sich allerdings Amerikaner und Japaner nicht stören. Aber dazu später mehr.
Deutsches BIP steigt im ersten Quartal leicht
Die Wirtschaftsleistung Deutschlands dürfte im ersten Quartal 2025 nach dem Rückgang Ende 2024 wieder etwas zugelegt haben. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 0,2 Prozent gestiegen ist, nachdem es im vierten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent gesunken war. Wie die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht analysierte, dürften Wachstumsimpulse unter anderem von der Industrie, von den Dienstleistern und vom Konsum gekommen sein. Im Rahmen der ersten Schätzung macht das Statistische Bundesamt nur vage Angaben zu den Wachstumsbeiträgen.
Euroraum-BIP steigt im ersten Quartal weiter
Das Wirtschaftswachstum im Euroraum dürfte sich im ersten Quartal fortgesetzt haben. Volkswirte erwarten, dass das BIP gegenüber dem Vorquartal um 0,2 Prozent gestiegen ist, nachdem es im vierten Quartal um ebenfalls 0,2 Prozent zugelegt hatte. Das Wirtschaftswachstum wurde zuletzt vor allem von den südeuropäischen Ländern gestützt, während das BIP Deutschlands und Frankreichs sank. Nun zu den Inflationsdaten:
Euroraum-Teuerung sinkt im April weiter - Kerninflation steigt
Der Inflationsdruck im Euroraum dürfte im April nachgegeben haben. Volkswirte erwarten, dass die Verbraucherpreise gegenüber dem Vormonat um 0,4 Prozent gestiegen sind und um 2,1 (März: 2,2) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats lagen. Für die Kernverbraucherpreise werden Raten von 0,8 und 2,5 (2,4) Prozent prognostiziert. Die Daten werden am 2. Mai (11.00 Uhr) veröffentlicht. Beeinflusst werden die Erwartungen für diese Veröffentlichung noch von Preisdaten aus Spanien (Dienstag, 9.00 Uhr), Frankreich (Mittwoch, 8.45 Uhr), Italien (Mittwoch, 11.00 Uhr) und Deutschland (Mittwoch, 14.00 Uhr).
Deutsche HVPI-Teuerung sinkt im April
Der Inflationsdruck in Deutschland dürfte im April erneut etwas nachgelassen haben. Volkswirte erwarten, dass der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) mit einer Jahresrate von nur noch 2,1 (März: 2,3) Prozent gestiegen ist. Für den nationalen Verbraucherpreisindex wird ein Rückgang auf 2,0 (2,2) Prozent prognostiziert. Bereits am Vormittag kommen Verbraucherpreisdaten von sechs Bundesländern.
US-PCE-Teuerung sinkt im März
Der Inflationsdruck in den USA dürfte im März weiter nachgelassen haben. Analysten rechnen laut Factset-Konsens damit, dass der Preisindex der privaten Konsumausgaben (PCE-Deflator) auf dem Niveau des Vormonats stagniert hat und um 2,1 (Februar: 2,5) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats gelegen hat. Für den Kern-PCE-Deflator (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise), die von der Notenbank bevorzugte Inflationsmessgröße, werden Raten von einer Jahresteuerung von 0,1 und 2,5 (2,8) Prozent erwartet. Die Daten kommen am Mittwoch, und zwar ausnahmsweise um 16.00 Uhr.
US-Wirtschaft von Stagflation bedroht
Politische Ungewissheit und die Zolloffensive von US-Präsident Donald Trump haben die US-Wirtschaft im ersten Quartal wahrscheinlich deutlich gebremst. Ökonomen rechnen nur mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von annualisiert 1,0 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Im vierten Quartal 2024 war das BIP noch um 2,4 Prozent gewachsen. Zugleich bewegt sich die Inflation auf einem erhöhten Niveau - für den BIP-Deflator werden 3,2 (viertes Quartal: 2,3) Prozent prognostiziert -, weshalb sich ein stagflationärer Ausblick für die US-Wirtschaft abzeichnet. Die Daten werden am Mittwoch (14.30 Uhr) veröffentlicht.
Arbeiten am Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse - dank Bank of Japan
Die Bank of Japan (BoJ) wird aller Wahrscheinlichkeit nach signalisieren, dass sie an ihren Zinserhöhungsplänen festhalten will, auch wenn die nächste Zinserhöhung noch Monate entfernt sein dürfte. Bisher hat die BoJ erklärt, dass eine positive Spirale aus steigenden Löhnen und zunehmender Inflation zu weiteren Zinserhöhungen führen würde. Bei der Sitzung könnte die BoJ ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum senken und vor den Risiken warnen, die sich aus den globalen Zollkonflikten für die Nachfrage ergeben.
Der Leitzins wird mit großer Sicherheit bei 0,50 Prozent bleiben. Einige Analysten sehen die Gefahr, dass US-Präsident Donald Trump die extrem niedrigen Zinssätze der BoJ und das langsame Zinserhöhungstempo zum Anlass nimmt, um Japan anzugreifen, weil es den Yen schwach hält. Die geldpolitischen Entscheidungen werden in den frühen Morgenstunden des 1. Mai bekannt gemacht.
(Mitarbeit: Andreas Plecko)
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/apo/mgo
(END) Dow Jones Newswires
April 25, 2025 09:57 ET (13:57 GMT)
Copyright (c) 2025 Dow Jones & Company, Inc.