
"Ab heute regiert die Hoffnung!", titelte die "Bild"-Zeitung am Dienstag, um siegesgewiss schon vorab ihren Lieblingskanzler auszurufen. Doch als am Dienstagvormittag die Stimmen des geheimen Bundestagsvotums zur Wahl des neuen Bundeskanzlers ausgezählt waren, fehlte dem Kandidaten Friedrich Merz die nötige Mehrheit. 328 von 630 Stimmen haben CDU, CSU und SPD im Parlament, mindestens 316 hätte Merz gebraucht - bekommen hat er 310, bei 307 Gegenstimmen.
Eine Katastrophe, hieß es zutreffend aus dem Umfeld des CDU-Vorsitzenden, denn in der Tat ist das weit mehr als ein Betriebsunfall. Zum einen, weil noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik eine Kanzlerwahl schiefgegangen ist. Zum anderen und vor allem aber, weil 18 fehlende Stimmen keine Kleinigkeit sind. Wenn das Ergebnis der Bundestagswahl ein Weckruf war, wie Merz jüngst wohl vor allem mit Blick auf AfD und Linke anmerkte, dann war die Abstimmung vom Dienstagvormittag ein Donnerschlag, der ihm zeigt, wo der Hammer hängt. Dieses Abweichlerpotenzial wird die Arbeit der neuen Koalition als ständige Drohung begleiten, auch wenn Merz im zweiten Wahlgang am Dienstagnachmittag die nötige Mehrheit erreichte.
Dass der von Union und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag und ihre Personalentscheidungen jede Menge Unzufriedenheit hinterlassen, liegt auf der Hand. Zu kurz Gekommene bei der Verteilung von Posten gibt es immer; vor allem aber ist klar, dass sich die Union auf breiter Front gegen die geschwächten Sozialdemokraten durchgesetzt haben, auch wenn die sich die verfahrene Lage schönreden. Aber was gibt es schönzureden, wenn Merz beispielsweise unwidersprochen feststellen kann, dass er mit der SPD eine Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik verabredet hat, die weit über das hinausgehe, was er Ende Januar mithilfe von AfD-Stimmen durchsetzen wollte?
So stehen gleich zwei Drohungen im Raum, wenn die neue Koalition an den Start geht. Es gibt in der Union Unzufriedene, denen die neue Regierung zu liberal ist; und es gibt in der SPD nicht wenige, denen das Regierungsprogramm zu unsozial ist. Und auf der anderen Seite steht Merz' Probelauf vom Januar: Er könnte notfalls auch anders, mit der AfD, die sich fortwährend anbietet.
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