
KARLSRUHE (dpa-AFX) - Darf eine im EU-Ausland ansässige Versandapotheke Kunden in Deutschland Bonusprämien auf rezeptpflichtige Medikamente gewähren? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Der erste Zivilsenat soll dabei klären, ob die in Deutschland geltende gesetzliche Arzneimittelpreisbindung auch für Versandapotheken mit Sitz in anderen EU-Ländern gilt. Wann ein Urteil fallen soll, blieb zunächst offen.
Konkret ging es in der mündlichen Verhandlung um eine Klage des Bayerischen Apothekerverbands gegen eine Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden. Die Beklagte versprach Kunden beim Einlösen eines Rezepts einen Bonus von drei Euro pro Medikament bei höchstens neun Euro pro Rezept. Wer per Formular oder Telefonat an einem Arzneimittelcheck teilnahm, bekam ebenfalls eine Prämie. Die Kläger sehen darin einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht und die Arzneimittelpreisbindung. (Az. I ZR 74/24)
Verstoß gegen freien Warenverkehr?
Für Medikamente, die man ohne Rezept vom Arzt in der Apotheke kaufen kann, gibt es keine gesetzliche Preisbindung. Jede Apotheke entscheidet also selbst, wie teuer sie diese verkauft. Für verschreibungspflichtige Medikamente ist die Preisbildung hingegen gesetzlich geregelt. Der Grundgedanke: die Medikamente sollen in jeder Apotheke zum gleichen Preis angeboten werden. Das soll die Apotheken vor ruinösem Wettbewerb und die Patienten vor einer Übervorteilung schützen, erklären die Apothekerverbände online.
Umstritten ist seit Jahren, ob die Preisbindung auch für Versandapotheken im EU-Ausland gilt - oder ob das gegen den freien Warenverkehr der EU verstößt. Im vorliegenden Fall hatten sich die Vorinstanzen auf die Seite des klagenden Verbands gestellt. Die Preisbindung sei nicht unionsrechtswidrig, entschied das Oberlandesgericht München. Der Gesetzgeber habe davon ausgehen können, dass die Regelung ein geeignetes Mittel sei, um die Arzneimittelversorgung in Deutschland zu sichern. Der Klage wurde stattgegeben.
BGH will "harte Fakten"
In der Verhandlung deutete sich an, dass der BGH das teils anders einschätzen könnte. Nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssten "harte Fakten" für eine Rechtfertigung der Preisbindung vorliegen, erklärte der Vorsitzende Richter, Thomas Koch. Es müsse aufgezeigt werden, dass die Arzneimittelversorgung in Deutschland ohne die Regelung in Gefahr wäre - und nicht etwa auch über die Versandapotheken gesichert werden könnte.
Der Anwalt des beklagten Unternehmens betonte, an eben solchen empirischen Beweisen fehle es. Die Klägerseite hielt dagegen: wenn man erst messbare Folgen abwarte, könnte es demnach schon zu spät sein. "Wenn eine Apotheke zu macht, die macht nicht mehr auf", warnte der Anwalt des Apothekerverbands./jml/DP/jha