
Vergangenheit, die nicht vergehen will - so hat der verstorbene Historiker Ernst Nolte im Jahr 1986 einen Aufsatz betitelt, der zu den Auslösern des damaligen Historikerstreits gehörte. Nolte thematisierte die zähe Präsenz der NS-Vergangenheit, vermutete in diesem Zusammenhang, dass historische Schuld als Druckmittel genutzt werde, und stellte relativierende Bezüge zum sowjetischen Terrorregime her.
39 Jahre nach Noltes Aufsatz und 80 Jahre nach dem Ende des NS-Systems wächst nach zwei aktuellen Umfragen der Anteil der Deutschen, die nun endlich einen Schlussstrich wollen. Und der "Spiegel" steuerte eine eigenwillige Stimme bei, die einer aus Syrien zugewanderten jungen Frau, die erklärte: "Der Holocaust ist nicht unsere Schuld, nicht unsere Geschichte, nicht unsere Sünde."
Eine Aussage, die zum einen historische Unkenntnis verriet - arabische Interessenvertreter hatten ja mit Hitler kollaboriert - und zum anderen einen Mangel an Verständnis dessen, was Integration bedeutet: Wer Teil einer Gesellschaft sein will, muss sich wohl oder übel auf die Verpflichtungen einlassen, die aus der Geschichte dieser Gesellschaft erwachsen.
Als Nolte seinen Aufsatz schrieb, waren die Urteile im letzten Majdanek-Prozess erst fünf Jahre alt. Heute gibt es nur noch sehr wenige, sehr alte Menschen, die in der NS-Zeit selbst Schuld auf sich geladen haben - so wie auch von ihren Opfern nur noch wenige leben. Die übergroße Mehrheit der heute lebenden Deutschen, ob mit Migrationshintergrund oder ohne, kann schon aus chronologischen Gründen keine persönliche Mitschuld an NS-Verbrechen tragen. Diese Banalität ändert nichts an der Verantwortung, die sich aus unserem schuldbeladenen Erbe ergibt. Das hier ist unser gemeinsames Land, und wir müssen uns der Verantwortung gemeinsam stellen.
Diese Verantwortung ist es, die nicht vergeht. Zu den Konsequenzen gehört das Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel - ohne dass deswegen jedes Verhalten der jeweils aktuellen israelischen Regierung zu billigen wäre. Und dazu gehört das Eintreten für Frieden und internationales Recht. Wir müssen gerade als Lehre aus den entsetzlichen Folgen von Hitlers Aggression neuen Okkupatoren so früh und entschieden wie möglich entgegentreten. Wir hätten es schon 2014 nach dem ersten russischen Überfall auf die Ukraine tun müssen. Und wir dürfen uns nicht einreden lassen, eine Besatzungsherrschaft, unter der Menschen verschleppt, gefoltert und ermordet werden, habe etwas mit Frieden zu tun.
Pressekontakt:
Kölnische Rundschau
Raimund Neuß
Telefon: 0221/1632-555
print@kr-redaktion.de
Original-Content von: Kölnische Rundschau, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/70111/6028569
© 2025 news aktuell