
Am Mittwochabend hat der stern in Hamburg erneut herausragende journalistische Arbeiten mit dem renommierten stern-Preis geehrt. Die feierliche Preisverleihung würdigte Beiträge aus allen Mediengattungen, die im vergangenen Jahr durch Relevanz, Recherchekraft und Erzählqualität überzeugten. Die Jury vergab Auszeichnungen in fünf Kategorien. Durch den Abend führten stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz und RTL-Journalistin Pinar Atalay. Zum Auftakt begrüßte Dr. Carsten Brosda, Senator der Hamburger Behörde für Kultur und Medien, die Gäste.
Diese Journalistinnen und Journalisten erhalten den stern-Preis 2025:
"Dokumentation":
David Körzdörfer, Düzen Tekkal - Bêmal - Heimatlos. 10 Jahre Völkermord an den Jesiden- ARD Mediathek - in Kooperation mit Radio Bremen, SWR, German Dream Productions
Begründung der Jury: Düzen Tekkal und David Körzdörfer schildern in ihrem Film "Bêmal - Heimatlos. 10 Jahre Völkermord an den Jesiden" die Schicksale von vier Geschwisterpaaren, die dem Genozid an der religiösen Minderheit im Nordirak nach großen Verlusten und grauenhaftem Leid entfliehen konnten. Sie berichten von einem neuen Leben in Deutschland, von Trauma und Hoffnung, von Mut und Wunden. Über Jahre haben sie die Protagonisten immer wieder getroffen und ihre Lebensgeschichten anhand der verfügbaren Quellen recherchiert. Die Produktion im Auftrag von Radio Bremen und SWR erzeugt Nähe und Empathie, vermittelt aber auch Kontext und Fakten über Massenmord, Versklavung und Vergewaltigung. Tekkal beschränkt sich dabei nicht auf ihre Rolle als Berichterstatterin, sondern wird zur Menschenrechtsaktivistin - was in ihrem Fall nach Überzeugung der Jury den journalistischen Wert des Films nicht schmälert.
"Lokal":
Manuel Andre, Axel Hechelmann, Timian Hopf, Jan Kandzora, Max Kramer, Ina Marks, Holger Sabinsky-Wolf, Christiane Zaunitzer - Skandal um die JVA Gablingen- Augsburger Allgemeine
Begründung der Jury: Mit ihrer Berichterstattung über die Justizvollzugsanstalt Gablingen hat ein Team der Augsburger Allgemeinen gravierende Missstände enthüllt und beispielhaft gezeigt, was lokaler Journalismus leisten kann. Die Kolleg:innen recherchierten, wie Gefangene in sogenannten besonders gesicherten Hafträumen schikaniert und ihrer Rechte beraubt wurden. Präsentiert wurde die Arbeit in der Zeitung, als Online-Text und zudem als Videodokumentation. Inzwischen bemüht sich die Politik um Reformen, die Staatsanwaltschaft ermittelt - und die Gefangenen sind besser vor Übergriffen geschützt.
"Fotogeschichte des Jahres":
Dominic Nahr - "Sie machen das Land kaputt"- Neue Zürcher Zeitung
Begründung der Jury: Seitdem der Jemen im Krieg rivalisierender schiitischer und sunnitischer Milizen zerstört wird, gilt er als unerreichbares Land für Journalisten: zu gefährlich, zu unberechenbar. Umso bemerkenswerter, dass es dem Schweizer Fotografen Dominic Nahr gemeinsam mit Daniel Böhm (Text) gelang, in den Süden des Landes zu reisen. Und noch bewundernswerter, dass ihm dort unter schwierigsten Bedingungen eine umfassende, vielschichtige Reportage auf allerhöchstem fotografischem Niveau gelang. Sie zeigt ein zerrüttetes Land, aber auch Momente trotziger Lebensfreude; sie zeigt einen Alltag unter schwierigsten Bedingungen - und voll verzweifeltem Einfallsreichtum. Sie kommt den leidenden Menschen, den Kämpfern wie den Zivilisten nahe, ohne Partei zu ergreifen und ohne sentimental zu werden. Die Könnerschaft des Fotografen drängt sich dabei nie in den Vordergrund, sondern steht ganz im Dienst der Sache: Zeuge sein, wo sonst niemand hinkommt. Zeigen, was ist. Diese urjournalistische Aufgabe hat Dominic Nahr brillant gemeistert.
"Investigation":
Isabell Beer, Isabel Ströh - Das Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram- STRG_F
Begründung der Jury: Aus einem in diesem Jahr ungewöhnlich starken Teilnehmerfeld entschied sich die Jury am Ende für eine Geschichte, die an einigen Stellen eine Zumutung ist. Die beiden Reporterinnen des Funk-Formats STRG_F haben ein Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram aufgedeckt. Über 70 000 User tauschen sich dort darüber aus, wie sie Frauen betäuben und ihnen sexualisierte Gewalt antun können. Sie teilen Fotos, filmen live. Isabell Beer und Isabel Ströh recherchierten mehr als ein Jahr in diesem Netzwerk. In ihrem Film für STRG_F dringen sie tief ein in dieses Netzwerk zur Organisation von Missbrauch und Vergewaltigung auf dem Messenger-Dienst. Sie zeigen, wie dort Anleitungen ausgetauscht werden, um Frauen wehr- und bewusstlos zu machen. Videos von Vergewaltigungen werden in den Gruppen zum Teil in Echtzeit geteilt. Vor allem aber zeigen die Autorinnen, dass es sich dabei keineswegs um Einzelfälle handelt, sondern dass viele Tausend Männer - auch in Deutschland - sich daran beteiligen. Das Ausmaß des Missbrauchs macht fassungslos, war so bislang nicht bekannt - und rief zahlreiche Reaktionen hervor. Diese investigative Leistung überzeugte die Jury ebenso wie die Relevanz der Enthüllung und die Hartnäckigkeit der Autorinnen bei der Überwindung von Widerständen.
"Egon Erwin Kisch-Preis" (geschriebene Reportage):
Malte Henk - Wie weit weg ist Buchenwald?- DIE ZEIT
Begründung der Jury: Mit seiner Reportage "Wie weit weg ist Buchenwald?" hat Malte Henk die unsägliche Geschichte des Konzentrationslagers mitten hinein in unsere aufgewühlten Zeiten geholt: Er begleitet eine zehnte Klasse auf ihrem Besuch am Ort des Massenmordes und beschreibt neben der alltäglichen Normalität des Gedenkens das Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. In genau gesetzten Sätzen und mit feinen Beobachtungen seziert er die Widersprüche zwischen der Erinnerungskultur West und Ost, zwischen denen, die jedes Wort analysieren, und denen, die fühlen, sie dürfen nicht mehr sagen, was sie denken. Dabei führt Henk den Leser zu einem Parforceritt zu Menschen und an Orte, die ihn verwundern, vielleicht verärgern und erschrecken - und erstaunlich viel Neues lernen lassen. Mit seiner Reportage aus dem Konzentrationslager Buchenwald hat Malte Henk eine Reportage gerade für die heutige Zeit geschrieben, in der die leisen Zwischentöne in Gefahr sind, gar nicht mehr gehört zu werden.
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