
Internes AfD-Papier rät Mitgliedern wegen drohender Konsequenzen zu Zurückhaltung
Mainz. Die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" könnte für mehr als 220 AfD-Mitglieder im Staatsdienst dienstrechtliche Konsequenzen haben. Sie hatten nach einer Datenauswertung des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" in den vergangenen fünf Jahren bei Wahlen für die AfD kandidiert, im Bund, auf Landes- und kommunaler Ebene.
Vor allem Lehrer, Polizisten, Verwaltungsbeamte und Soldaten
Demnach sind darunter vor allem Lehrer (63), Polizisten (49), Verwaltungsbeamte (40) und Soldaten (24). Einige (38) der mehr als 220 AfD-Kandidaten arbeiten derzeit hauptberuflich als Landtags-, Bundestags- und Europaabgeordnete. Ihre Tätigkeit im öffentlichen Dienst ruht deshalb. Ein großer Teil der übrigen Kandidaten ist nach Recherchen von "Report Mainz" ehrenamtlich für die Partei aktiv. Für die Auswertung hatte das ARD-Politikmagazin die amtlichen Unterlagen der jeweils vergangenen Wahl der meisten Landkreise und kreisfreien Städte (303 von 400), Bundesländer (14 von 16) und des Bundes ausgewertet. Nicht alle Angaben ließen sich überprüfen, in wenigen Fällen wurden die Namen der Kandidierenden aus Datenschutzgründen geschwärzt oder nicht genannt.
Bundesländer: Thema auf Innenministerkonferenz
Wie die Bundesländer mit Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst umgehen, die ein AfD-Parteibuch haben, ist noch nicht entschieden. Das Thema soll auf der kommenden Innenministerkonferenz im Juni besprochen werden. Mehrere Bundesländer erklärten gegenüber "Report Mainz", dass eine aktive Betätigung, wie etwa die Kandidatur für ein öffentliches Amt, für eine als extremistisch eingestufte Partei grundsätzlich den Verdacht eines "Dienstvergehens" und damit möglicherweise auch ein Disziplinarverfahren begründen würde. Grundsätzlich komme es aber auf den Einzelfall an. Es gibt also keinen Automatismus.
Wie viele AfD-Mitglieder überhaupt im Staatsdienst arbeiten, ist bisher nicht bekannt. Eine offizielle Statistik wird laut den Angaben der Länder nirgendwo geführt. Die von "Report Mainz" ermittelte Zahl ermöglicht nun eine Annäherung.
Möglicherweise auch Pensionäre betroffen
Möglicherweise sind auch Pensionäre betroffen. Die Bundesländer verwiesen in ihren Erklärungen vor allem auf das sogenannte Beamtenstatusgesetz. Demnach gilt es auch als "Dienstvergehen", wenn sich Ruhestandsbeamten gegen die "freiheitliche demokratische Grundordnung" betätigen. Dies beträfe, sollte die Einstufung des Verfassungsschutzes gerichtlich bestätigt werden, nach der Auswertung von "Report Mainz" zusätzlich mehr als 160 Pensionärinnen und Pensionäre. Auch sie haben in den vergangenen Jahren für die AfD bei einer Wahl kandidiert.
AfD reagiert mit interner Handreichung
In Teilen der AfD scheint die Debatte über den Umgang mit Parteimitgliedern im öffentlichen Dienst Unruhe auszulösen. Der AfD-Bundesvorstand verschickte Anfang Mai eine "Handreichung für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst". Das Papier liegt dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" und der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" vor. Darin führt die Parteispitze aus, dass Mitglieder, die im öffentlichen Dienst arbeiten, nicht allein aufgrund der Einstufung des Verfassungsschutzes mit einer Kündigung zu rechnen hätten. Der Parteivorstand sieht aber offenbar insbesondere für Funktionäre und Kandidaten Risiken. "Die Tätigkeit oder Kandidatur für eine herausgehobene Stellung in unserer Partei (nicht die bloße Mitgliedschaft) könnte als Verfassungstreuepflichtverletzung beurteilt werden, falls Gerichte die Einschätzung durch den Verfassungsschutz teilen sollten", heißt es.
AfD gibt Handlungsempfehlungen
In dem vierseitigen Schreiben spricht die Parteispitze Handlungsempfehlungen aus. Mitglieder sollten etwa in ihrer Wortwahl differenzieren und mit "Äußerungen im verfassungskonformen Bereich" bleiben. Politische Einstellungen sollten sie aus ihrer beruflichen Tätigkeit beim Staat heraushalten. Der Einsatz etwa "für eine deutsche Leitkultur", "gegen die Aufnahme weiterer Migranten" oder die "konsequente Abschiebung nicht (mehr) aufenthaltsberechtigter Personen" sei "selbstverständlich nicht verfassungsfeindlich". Wer zu einer Dienstbesprechung vorgeladen werde, solle einen Rechtsanwalt mitnehmen. Ein Parteiaustritt sei "in keinem Fall erforderlich".
"Wenige hundert Parteiaustritte"
Tatsächlich haben seit der Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zahlreiche Mitglieder die AfD verlassen. Die Parteispitze gibt sich diesbezüglich öffentlich aber gelassen. Gegenüber "Report Mainz" teilte der Bundesvorstand vergangene Woche mit, es seien lediglich "einige wenige hundert Austritte" gewesen. Insgesamt steige die Zahl der Mitglieder. Zu möglichen Disziplinarverfahren gegen Mitglieder äußerte sich die Partei nicht, ebenso wenig zu der Frage, wie viele Parteimitglieder im Staatsdienst tätig sind.
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Weitere Informationen auch auf www.reportmainz.de
Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion "Report Mainz" an, Tel.: 06131 929-33351.
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