NIZZA (dpa-AFX) - Die blaue Lunge unseres Planeten ist in Gefahr. Bis 2030 will die Weltgemeinschaft beim Schutz und Erhalt der Ozeane erheblich vorankommen - Schutzzonen sollen ausgewiesen, illegale Fischerei beendet und die Meere verstärkt von Plastik befreit werden. Doch können die selbstgesteckten Ziele überhaupt noch erreicht werden? Das wollen 130 Staaten auf der heute beginnenden UN-Ozeankonferenz in Nizza ausloten. Ein Überblick:
Warum der Ozean so wichtig ist
Die Ozeane bedecken mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche und spielen ökologisch und wirtschaftlich eine herausgehobene Rolle. Sie sind entscheidend im Klimasystem und verfügen über eine enorme Artenvielfalt. Riesige Teile der Wärme, die durch den Anstieg der Treibhausgasemissionen entsteht, schluckt der Ozean. Mehr als drei Milliarden Menschen hängen Schätzungen zufolge für ihren Lebensunterhalt direkt von den Weltmeeren ab.
So ist es um die Weltmeere bestellt
Die so wichtige blaue Lunge unseres Planeten steht unter Druck. Die Durchschnittstemperatur der Meere ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen und das Wasser ist erheblich saurer geworden. Lebende Korallenriffe haben seit 1870 rund die Hälfte ihrer Fläche verloren. Und neben dem Klimawandel machen den Ozeanen auch Überfischung und Verschmutzung zu schaffen.
Das ist die Unoc
Nach Treffen in New York 2017 und in Lissabon 2022 findet die Unoc genannte Ozeankonferenz der Vereinten Nationen nun zum dritten Mal statt. Gastgeber sind Costa Rica und Frankreich. Bei der fünftägigen Veranstaltung werden Vertreter von 130 Staaten erwartet, aus Deutschland reist Umweltminister Carsten Schneider (SPD) an. Auch zahlreiche NGOs und Forschende werden bei Veranstaltungen in Nizza dabei sein.
Die Konferenz soll vor allem neuen Schwung in Beratungen zu etlichen Meeresthemen bringen, auch wenn Entscheidungen dazu teils erst später fallen. Vor allem drei Schwerpunkte stechen dabei hervor:
Schutz der hohen See
Vor zwei Jahren hatten die Vereinten Nationen das Hochseeschutzabkommen verabschiedet. Bisher gibt es für die Hohe See, die etwa 60 bis 70 Prozent der Ozeane ausmacht, fast keine Regelungen. In dem Abkommen werden Verfahren festgelegt, um etwa wirtschaftliche Projekte in den Meeren auf ihre Umweltverträglichkeit hin zu prüfen.
Auch schafft es die Grundlage für die Ausweisung großer Schutzgebiete auf Hoher See und kann so helfen, das Ziel des Weltnaturschutzabkommens umzusetzen, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Weltmeere wirksam zu schützen. Bisher sind lediglich gut 8 Prozent Schutzgebiete. Weitere 78,3 Millionen Quadratkilometer müssten ausgewiesen werden.
Doch damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen es mindestens 60 Staaten ratifizieren. Die große Hoffnung war es, das bis zur Konferenz in Nizza zu erreichen. Umweltschutzorganisationen fürchten, dass dies auch bei der Veranstaltung nicht gelingt. Auch Deutschland arbeitet noch an der Ratifizierung. Gastgeber Frankreich setzt darauf, die 60er-Marke zumindest noch in diesem Jahr zu knacken und will dabei auch in Nizza vorankommen. Bereits jetzt wollen die Staaten aber konkret die Umsetzung vorbereiten - etwa durch die Ausweisung von Schutzflächen.
Kampf gegen Plastik
Schwung wollen Frankreich und auch Deutschland ebenso ins Thema Schutz vor Plastikmüll bringen. Im August trifft sich die internationale Staatengemeinschaft erneut in Genf, um über ein verbindliches Plastikabkommen zu verhandeln, das dazu verpflichten soll, die Vermüllung der Ozeane zu beenden. Ende vergangenen Jahres konnte bei Verhandlungen in Südkorea keine Einigung gefunden werden. In Nizza hofft man, trotz auseinandergehender Positionen in Vorbereitung der Gespräche in der Schweiz näher zusammenzukommen.
Umgang mit Tiefseebergbau
Deutschland und dutzende weitere Länder wollen eine vorsorgliche Pause des Tiefseebergbaus erreichen, bei dem vor allem sogenannte Manganknollen auf dem Boden der Hohen See abgebaut werden. Studien zeigen große Gefahren der Bewirtschaftung für die dortigen Ökosysteme auf.
Im Sommer will die Internationale Meeresbodenbehörde ISA sich erneut zusammensetzen und über ein weltweit akzeptiertes Regelwerk für den Tiefseebergbau beraten. Von Nizza könnte auch für diese Verhandlungen ein Signal ausgehen. Sorgen bereitet bei dem Thema aktuell, dass die USA Tiefseebergbau auch in internationalen Gewässern erwägen.
Wird in Nizza Konkretes beschlossen?
In Nizza dürfte es etliche Ankündigungen geben, etwa für eine Bestandsaufnahme der Verschmutzung der Meere. Vor allem soll am Ende aber der "Aktionsplan von Nizza" stehen, eine Auflistung von Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder. Aus Sicht von Greenpeace fällt der Entwurf jedoch "dramatisch hinter die Erwartungen zurück". Das Dokument sei zu unkonkret, eine vorsorgliche Pause beim Tiefseebergbau werde nicht erwähnt, auch von einer Reduzierung der Plastikproduktion sei keine Rede.
Auch OceanCare meint: "Das, was da drinnen steht, wird das Blatt nicht wenden." Die Organisation fordert etwa ein Bekenntnis dazu, die Suche nach Öl- und Gasfeldern im Meer einzustellen und bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt mit konkreten Maßnahmen wie etwa einer Geschwindigkeitsreduzierung voranzukommen.
Gastgeber Frankreich ist zwar zufrieden, räumt aber ein: "Natürlich liegt das unter dem, was die motiviertesten Staaten und solche mit dem größten Tatendrang sagen könnten."/rbo/DP/zb