TEL AVIV/TEHERAN (dpa-AFX) - Während Israel im Krieg mit dem Iran dem Machtapparat der Islamischen Republik einmal mehr schwere Schläge versetzt, feuert Israels Erzfeind weitere Raketen auf den jüdischen Staat ab. Obwohl die Verteidigungssysteme in Israel aktiviert wurden, gab es nach Angaben des Rettungsdienstes Magen David Adom mehrere Einschläge im Zentrum des Landes. Wie die "Times of Israel" unter Berufung auf den Rettungsdienst meldete, wurden drei Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt.
Bereits zuvor waren durch iranische Angriffe mehr als ein Dutzend Menschen in Israel getötet und Hunderte weitere verletzt worden. Im Iran wurden seit dem Beginn der israelischen Großoffensive in der Nacht zu Freitag nach offiziellen Angaben mindestens 224 Menschen getötet. Fast 1300 Menschen seien verletzt, teilte ein Vertreter des iranischen Gesundheitsministeriums auf X mit.
Geheimdienstchef der Revolutionsgarden getötet
Die Bevölkerung in Israel könne die Schutzräume inzwischen wieder verlassen, teilte das Militär auf Telegram mit. Such- und Rettungskräfte waren nach Armeeangaben an mehreren Orten im ganzen Land im Einsatz. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben erneut Abschussrampen für Boden-Boden-Raketen im Landesinneren des Irans angegriffen - anscheinend mit dem Ziel, einem erneuten Angriff des Erzfeindes zuvorzukommen.
Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim bestätigte den Tod des Chefs des Geheimdienstes der mächtigen Revolutionsgarden - Irans Elitestreitkräfte - und seines Stellvertreters. Mohammed Kasem und Hassan Mohaghegh seien bei den Angriffen auf die Hauptstadt Teheran getötet worden. Schon zuvor waren führende Militärs und Atomwissenschaftler gezielt von Israel getötet worden.
Medienberichten zufolge wurden in Teheran auch das Ölministerium, die Polizeidirektion sowie andere staatliche Einrichtungen angegriffen. Zuvor war bereits von Angriffen auf das Verteidigungsministerium, auf eine staatliche Atom-Forschungsorganisation und auf ein Öllager in der Millionenmetropole berichtet worden. Gemeldet wurden aus dem Iran aber auch israelische Angriffe auf Wohnviertel.
Will Israel Sturz der iranischen Führung?
Auf die Frage, ob letztlich auch die iranische Führung gestürzt werden solle, entgegnete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Gespräch mit dem US-Sender Fox News: "Es könnte sicherlich das Ergebnis sein. Das iranische Regime ist sehr schwach." Eine Mehrheit der Iraner würde die islamistische Staatsführung gerne loswerden, sagte er.
Einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, wonach US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Tagen Einspruch gegen israelische Pläne für die Tötung des iranischen Staatsoberhaupts Ajatollah Ali Chamenei eingelegt haben soll, wollte Netanjahu auf Nachfrage nicht näher kommentieren. Es gebe "viele falsche Berichte über Gespräche, die nie stattgefunden haben", sagte er bloß.
Die als Sprachrohr der iranischen Revolutionsgarden geltende Nachrichtenagentur Tasnim verbreitete unterdessen Bilder von Häusern in Trümmern. Auf den Straßen, die aus Teheran hinausführten, bildeten sich Staus. Viele Menschen verlassen die Stadt aus Angst vor den israelischen Angriffen.
Israel will nach eigener Darstellung mit den Angriffen verhindern, dass der Iran eine Atombombe bauen kann. Die Führung in Teheran betont dagegen, dass das Atomprogramm zivilen Zwecken diene.
Bei den Angriffen wurde nach israelischen Angaben unter anderem die Uran-Anreicherungsanlage Natans getroffen. Ein israelischer Beamter sagte dem "Wall Street Journal", es gebe Anzeichen dafür, dass der unterirdische Teil der Atomanlage "implodiert" sein könnte. Er wies aber darauf hin, dass weitere Untersuchungen erforderlich seien.
Expertin: Irans Atomprogramm nicht entscheidend beschädigt
Israel habe auch wichtige Teile der Lieferkette für die Herstellung einer Atombombe angegriffen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Beamte in Israel sowie Mitarbeiter der UN-Atomenergiebehörde. So seien in der Atomanlage in der Stadt Isfahan vier Gebäude zerstört worden, von denen zwei für die Herstellung einer Atomwaffe unverzichtbar seien. Nach Einschätzung der israelischen Iran-Expertin Sima Shine, die einst für den Auslandsgeheimdienst Mossad arbeitete, sind dem iranischen Atomprogramm bisher aber keine entscheidenden Schäden zugefügt worden.
Die größte Herausforderung für Israel bleibe die Zerstörung der tief in einem Berg gelegenen und damit am besten gesicherten iranischen Atomanlage in Fordo, wo Uran angereichert wurde, schrieb das "Wall Street Journal". Viele Experten glaubten, dass die Atomanlage Fordo nur mit einer sogenannten Bunkerbrecher-Bombe zerstört werden könne. Anders als der Verbündete USA verfügt Israel übereinstimmenden Medienberichten zufolge jedoch weder über diese schweren Bomben noch über die zum Abwurf notwendigen großen Militärflugzeuge.
Der weitere Kriegsverlauf werde darüber entscheiden, ob Israel das angestrebte Ziel erreichen wird, das iranische Atomprogramm zu zerstören oder um Jahre zurückzuwerfen, schrieb die US-Zeitung. Ein Scheitern könne den Iran dazu veranlassen, seine - von Teheran immer wieder bestrittenen - Bemühungen zum Bau einer Atombombe zu beschleunigen.
Irans Raketenprogramm ebenfalls Ziel
Als weiteren Grund für die Angriffe im Iran hatte Israels Regierungschef Netanjahu das Raketenprogramm der Islamischen Republik genannt. Die israelische Luftwaffe begann nach eigenen Angaben eine Serie von Angriffen auf Dutzende Ziele im Westen des Irans, wo Boden-Boden-Raketen stationiert sein sollen.
Nach israelischen Medienberichten verfügt der Iran schätzungsweise noch über rund 2.000 solcher Raketen. Inzwischen hat Israels Militär aber nach Angaben eines Sprechers die Luftüberlegenheit vom Westen des Irans bis nach Teheran erlangt. Das könnte es dem Iran immer schwieriger machen, Israel anzugreifen.
US-Präsident Trump hat sich derweil offen gezeigt für die Idee, dass Kremlchef Wladimir Putin in dem Krieg als Vermittler agieren könnte. "Ich wäre offen dafür", sagte Trump dem Fernsehsender ABC dazu. Putin habe ihn deswegen angerufen. Russlands Präsident, der vor dreieinhalb Jahren den Überfall auf die Ukraine befohlen hatte, bot sich nach Angaben des Kremls in einem Telefonat mit Trump am Samstag selbst als Vermittler im Konflikt zwischen Israel und dem Iran an. Russland hat enge Beziehungen zum Iran und von dort unter anderem massenhaft Drohnen für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine bezogen./ln/DP/mis