Berlin (ots) -
Rechtsprofessoren kritisieren den Beschluss des vierten Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Deutschland in Ausnahmesituationen eingeschränkt werden könne. "Der BGH liegt total falsch", sagt Kathrin Groh, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München, der Tageszeitung "nd" (Wochenendausgabe "nd.DieWoche"). Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung sei "abwägungsfest", könne also nicht zugunsten der Verteidigung des Staates eingeschränkt werden.
Auch Stefan Oeter, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg, äußert sich kritisch. Der Beschluss des BGH sei "angreifbar"; insbesondere die Behauptung, das Grundgesetz sehe kein uneingeschränktes Verweigerungsrecht vor, "sei eine steile These". Ähnlich äußert sich Robert Esser, Professor für Strafrecht an der Universität Passau: "Ich denke, dass der BGH die Lage im deutschen Verteidigungsfall nicht zutreffend einschätzt."
Alle von der Zeitung "nd" befragten Experten betonen, dass der BGH keine Kompetenz hat, am Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung zu rütteln. Für die Auslegung des Grundgesetzes sei ausschließlich das Bundesverfassungsgericht zuständig.
Soll, wer dennoch einen Kurswechsel befürchtet, zügig den Kriegsdienst verweigern? Grohe meint: "Wenn man gerne weiter unter dem Radar segeln und kein Signal senden möchte, sollte man im Moment wirklich gar nichts tun." Schließlich gebe es derzeit kein amtliches Verzeichnis mit möglichen Kandidaten für den Dienst an der Waffe.
Das entspricht auch dem Ratschlag der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). "Aktuell empfehlen wir Zivilist*innen, eine Verweigerung durchaus vorzubereiten, sie aber noch nicht abzuschicken", sagt deren politischer Geschäftsführer Michael Schulze von Gaßler. Dennoch habe der BGH-Beschluss eine interne Debatte zu den Empfehlungen angestoßen. Diese soll am 21. und 22. Juni während eines bundesweiten Kongresses zur Kriegsdienstverweigerung fortgeführt werden.
In seinem Beschluss vom 16. Januar hatte der vierte Strafsenat des BHG entschieden, dass ein ukrainischer Kriegsdienstverweigerer an sein Heimatland ausgeliefert werden darf - obwohl ihm dort der Dienst an der Waffe droht: Eine Auslieferung sei trotz Verweigerung aus Gewissensgründen möglich, wenn das Herkunftsland völkerrechtswidrig angegriffen wird und dort kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung herrscht. Im April wurde der Ukrainer auf dem Flughafen Frankfurt am Main den ukrainischen Behörden übergeben.Gleichzeitig urteilte der BGH: Auch in Deutschland könne das Kriegsdienstverweigerungsrecht "in außerordentlicher Lage" aufgehoben werden, etwa wenn Deutschland angegriffen wird.
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Redaktion
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Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/59019/6058882
Rechtsprofessoren kritisieren den Beschluss des vierten Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Deutschland in Ausnahmesituationen eingeschränkt werden könne. "Der BGH liegt total falsch", sagt Kathrin Groh, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München, der Tageszeitung "nd" (Wochenendausgabe "nd.DieWoche"). Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung sei "abwägungsfest", könne also nicht zugunsten der Verteidigung des Staates eingeschränkt werden.
Auch Stefan Oeter, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg, äußert sich kritisch. Der Beschluss des BGH sei "angreifbar"; insbesondere die Behauptung, das Grundgesetz sehe kein uneingeschränktes Verweigerungsrecht vor, "sei eine steile These". Ähnlich äußert sich Robert Esser, Professor für Strafrecht an der Universität Passau: "Ich denke, dass der BGH die Lage im deutschen Verteidigungsfall nicht zutreffend einschätzt."
Alle von der Zeitung "nd" befragten Experten betonen, dass der BGH keine Kompetenz hat, am Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung zu rütteln. Für die Auslegung des Grundgesetzes sei ausschließlich das Bundesverfassungsgericht zuständig.
Soll, wer dennoch einen Kurswechsel befürchtet, zügig den Kriegsdienst verweigern? Grohe meint: "Wenn man gerne weiter unter dem Radar segeln und kein Signal senden möchte, sollte man im Moment wirklich gar nichts tun." Schließlich gebe es derzeit kein amtliches Verzeichnis mit möglichen Kandidaten für den Dienst an der Waffe.
Das entspricht auch dem Ratschlag der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). "Aktuell empfehlen wir Zivilist*innen, eine Verweigerung durchaus vorzubereiten, sie aber noch nicht abzuschicken", sagt deren politischer Geschäftsführer Michael Schulze von Gaßler. Dennoch habe der BGH-Beschluss eine interne Debatte zu den Empfehlungen angestoßen. Diese soll am 21. und 22. Juni während eines bundesweiten Kongresses zur Kriegsdienstverweigerung fortgeführt werden.
In seinem Beschluss vom 16. Januar hatte der vierte Strafsenat des BHG entschieden, dass ein ukrainischer Kriegsdienstverweigerer an sein Heimatland ausgeliefert werden darf - obwohl ihm dort der Dienst an der Waffe droht: Eine Auslieferung sei trotz Verweigerung aus Gewissensgründen möglich, wenn das Herkunftsland völkerrechtswidrig angegriffen wird und dort kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung herrscht. Im April wurde der Ukrainer auf dem Flughafen Frankfurt am Main den ukrainischen Behörden übergeben.Gleichzeitig urteilte der BGH: Auch in Deutschland könne das Kriegsdienstverweigerungsrecht "in außerordentlicher Lage" aufgehoben werden, etwa wenn Deutschland angegriffen wird.
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