BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts des plötzlichen Stopps für neue Hilfeanträge von Missbrauchsopfern appelliert die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus an die Bundesregierung, versprochene Hilfeleistungen doch noch zu gewähren. "Betroffene müssen sich bei den so dringend benötigten Hilfen auf Zusagen der Bundesregierung verlassen können", sagte Claus der Deutschen Presse-Agentur.
Hintergrund ist eine Änderung in den Antragsbedingungen für den Fonds Sexueller Missbrauch, über den Betroffene von Missbrauch in ihrer Kindheit oder Jugend Geld für Therapie, Beratung oder medizinische Leistungen erhalten können. Laut dieser Änderung, die am Dienstag auf der Website des Fonds veröffentlicht worden war, können Erstanträge, die nach dem 19. März beim Fonds eingegangen sind, nicht mehr bewilligt werden. Zur Begründung heißt es, dass die dafür zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel wegen zu hoher Nachfrage "vorzeitig erschöpft" seien. Zuvor war Betroffenen noch eine Möglichkeit zur Bewilligung von Erstanträgen bis zum 31. August dieses Jahres zugesagt worden. Der Fonds soll danach abgewickelt werden.
Claus kritisiert plötzlichen Bewilligungsstopp
Claus kritisierte den plötzlichen Bewilligungsstopp scharf. "Einfach rückwirkend bereits vorliegende fristgerechte Anträge auszuschließen und die Annahme von weiteren Anträgen bis zum kommunizierten Antragsende am 31. August 2025 zu verweigern, kommt einem neuerlichen Verrat an Betroffenen gleich", erklärte Claus. Sie fordere die Bundesregierung auf, "sicherzustellen, dass eine kurzfristige Nachsteuerung noch in diesem Jahr erfolgt, um Versorgungslücken zu verhindern".
Mit Blick auf den Bundeshaushalt 2026 erwarte sie außerdem, dass eine "tragfähige bedarfsgerechte Finanzierung" für den Fonds verankert werde. Bislang können Betroffene aus dem Fonds, der sich überwiegend aus Mitteln des Bundeshaushalts finanziert, Hilfen bis maximal 10.000 Euro erhalten. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums haben bis zum 24. Juni insgesamt 35.578 Betroffene einen Antrag gestellt, rund 165,2 Millionen Euro seien ausgezahlt worden.
Prien verspricht Neuauflage des Hilfesystems ab Januar 2026
Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) warb am Mittwoch im Bundestag für zusätzliche Haushaltsmittel, um Betroffene weiterhin unterstützen zu können. Sie wolle bis zum 1. Januar 2026 eine "Neuaufstellung des Systems" erreichen, sagte Prien der "Rheinischen Post". Zum rückwirkenden Antragsstopp ab dem 19. März erklärte sie: "Auch wenn es schwerfällt und schmerzhaft ist: Das System in seiner bisherigen Form kann nicht weitergeführt werden. Der Bundesrechnungshof hat hier eine klare Grenze gezogen." Jetzt gehe es darum, neue, rechtssichere Wege zu schaffen, die auch langfristig verlässlich helfen würden, erklärte die Ministerin.
Der Bundesrechnungshof hatte mit Blick auf den Fonds eine große Finanzierungslücke beanstandet und von dem zuständigen Bundesministerium die Abwicklung verlangt. Im Koalitionsvertrag versprechen Union und SPD, das Hilfesystem fortzuführen./yydd/DP/zb