(neu: Durchgehend aktualisiert, Campact ergänzt)
BERLIN (dpa-AFX) - Vor dem Koalitionsausschuss am Mittwoch mehren sich die Forderungen nach einer Senkung der Stromsteuer für alle. In einem gemeinsamen Aufruf an Energieministerin Katherina Reiche (CDU), der der dpa vorliegt, bestehen mehrere Wirtschaftsverbände auf einer Senkung der Steuer zum 1. Januar für alle Verbrauchergruppen - und damit auch alle Unternehmen, einschließlich Handel, dem Dienstleistungssektor und dem Handwerk. Unionsfraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger deutete Kompromissbereitschaft an.
Ähnliche Briefe wie Reiche sollten auch an Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden übermittelt werden. Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Versprochen ist versprochen: Die Stromsteuersenkung für alle wurde im Koalitionsvertrag eindeutig als Sofortmaßnahme vereinbart. Jetzt ist die ganze Bundesregierung in der Pflicht, dass sie auch schnell kommt."
Christoph Bautz von der Kampagnenorganisation Campact sagte, Union und SPD müssten eine klimapolitische Kehrtwende einlegen. "Der Koalitionsausschuss ist die erste Gelegenheit: Schwarz-Rot muss die Stromsteuer für alle senken, um die Weichen für E-Autos und Wärmepumpen zu stellen - aber darf nicht an anderer Stelle beim Klimaschutz sparen."
Darum geht es
Schwarz-Rot hatte im Koalitionsvertrag vereinbart: "Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten. Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren." Allerdings gilt auch hier wie für alle Vorhaben in der Abmachung, dass sie "unter Finanzierungsvorbehalt" stehen, sprich: Es muss Geld dafür vorhanden sein.
Weil das aber knapp ist, sollte nun laut Kabinettsbeschluss nur ein Teil der Entlastungen umgesetzt werden - bei den Unternehmen vor allem für die Betriebe in der Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft. Die Senkung der Stromsteuer für private Verbraucher von derzeit bei 2,05 Cent je Kilowattstunde (kWh) auf das europäische Mindestmaß von 0,1 Cent je kWh sollte erst mal außen vor bleiben.
Es gibt unterschiedliche Angaben über den durchschnittlichen Stromverbrauch pro Kopf in einem deutschen Privathaushalt. Bei angenommen 1.500 kWh würde die Ersparnis im Fall einer entsprechenden Stromsteuersenkung für die Verbraucher nur bei gut 29 Euro im Jahr liegen. Zusammengerechnet türmen sich allerdings für alle Versprechen Milliarden auf - und wo sollten die an anderer Stelle wieder eingespart werden?
Neue Einigkeit oder neuer Streit?
Innerhalb der Koalition war es genau deswegen bereits zu öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten gekommen, die an Streitereien in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP erinnern. So riet der SPD-Haushaltspolitiker Thorsten Rudolph der Union bei "Politico", "zuallererst auf ihre extrem teuren Wahlgeschenke" wie zum Beispiel die Mütterrente zu verzichten. Eigentlich will man aber gerade diesen Eindruck der gegenseitigen Schuldzuweisungen unter allen Umständen vermeiden.
Deshalb kommen aus der Union neue Signale in Richtung Bundesregierung. "Ich kann die Enttäuschung absolut nachvollziehen, die jetzt bei vielen vorherrscht - wir haben die Entlastung ja aus guten Gründen in unser Wahlprogramm und dann in den Koalitionsvertrag geschrieben", sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Bilger dem "Tagesspiegel". "Im parlamentarischen Verfahren sollten wir nach Lösungen suchen, um die Stromsteuer auch für Privathaushalte senken zu können."
Im Deutschlandfunk sagte Bilger, die bereits beschlossene Senkung sei richtig, aber auch Verbraucher seien durch die hohen Strompreise stark belastet. Es sei auch wichtig, für sie eine Entlastung zu erreichen./mi/DP/jha