DJ MARKT-AUSBLICK/Rally nach Handelsverträgen - Aber was dann?
DOW JONES--Eine spannende Handelswoche steht Anlegern bevor. Denn das Sommerloch verschlimmert die Lage. Nur eine Woche vor Beginn der Berichtssaison wird es damit kein Gegengewicht zum Getöse der Politik geben. Und das hat mit Mittwoch, dem 9.Juli, eine enorme Tragweite - dem Ablauf des US-Ultimatums für neue Handelsverträge.
Nach dem Deal mit Vietnam und dem Ende des Verkaufsverbots von Chip-Software nach China war etwas Ruhe in die Märkte bei dem Thema eingekehrt. Von den laufenden Verhandlungen der EU und China mit den USA drang kaum etwas in die Öffentlichkeit. Die Märkte interpretieren dies als gutes Zeichen für einen professionellen Umgang miteinander, entsprechend hoch sind die Hoffnungen, dass sich ein tragbarer Kompromiss ergibt. Mit Bekanntgabe der Details ist eine kurze Erleichterungsrally vorgezeichnet.
Auf Verträge mit Trump noch weniger Verlass
Indes - ob dies langfristig tragfähig ist, muss sich zeigen. Denn nicht wenige Strategen geben zu bedenken, dass die Gültigkeit der Verträge allein an den Launen von Donald Trump hängt. Auf Vertragstreue kann man bei ihm nicht setzen: Seit Beginn der Zolldiskussion änderte er mehrfach die Konditionen und verkürzte Termine nach Gutdünken. Den Handelsvertrag mit Kanada und Mexiko, den er nun kündigte, hatte er selbst ab 2017 verhandelt.
Dazu kommt nun das Problem des "Big Beautiful Bill", den Trump sowohl im Senat als auch im Kongress durchsetzen konnte. Dabei geht es weniger um Details, wie die Förderung fossiler Energien wie Kohle oder den US-weiten Aufbau von Gefangenenlagern für Migranten - vergeben als Milliardenaufträge an Privatunternehmen.
Vielmehr wird Trumps Sieg gegenüber den US-Institutionen ihn künftig noch selbstbewusster und rücksichtsloser machen. Schließlich sind bereits US-Gerichte vor ihm eingeknickt und geben ihm künftig noch mehr Spielraum, nur noch per Dekret zu regieren.
Langfristige Anlagen immer unsicherer - Risikoprämien steigen
Für Anleger am US-Markt bedeutet dies einen massiven Anstieg von Unsicherheit: Auf Verträge und Rahmenbedingungen kann sich niemand mehr verlassen; je länger die Laufzeit, desto höher werden die verlangten Risikoaufschläge.
Die Strategen von State Street gehen davon aus, dass besonders die längerfristigen Renditen von US-Anleihen stärker von der Marktstimmung abhängen und die Laufzeitprämie für langfristige Anleihen volatiler und anfälliger für Ereignisse werden wird.
Verschärft wird dies nicht nur durch die vom Trump-Bill verursachte Schuldenexplosion in den USA, sondern auch von Fiskalpaketen in Europa und Asien - das weltweite Angebot an sicheren Anlagen werde nun deutlich schneller steigen als die Nachfrage, warnen die Strategen von State Street.
Als Folge werden die langen Zinsen hoch bleiben, selbst wenn die US-Notenbank die kurzfristigen Sätze senkt; "higher for longer" dürfte das Thema werden.
US-Zinssenkungen werden schwieriger - Zölle treiben Inflation
Für Aktien sind hohe Zinsen keine guten Nachrichten. Und selbst bei den kurzen US-Zinsen wird der Fed eine Senkung nicht leichtfallen: Der Juni-Arbeitsmarktbericht sei stark genug gewesen, um den Gedanken an eine plötzliche US-Zinssenkung auszutreiben, meint UBS-Chefvolkswirt Paul Donovan.
Dazu zeige die US-Inflation noch gar nicht die Folgen der Trump-Strafzölle: "Der gestufte Einfluss der Zölle seit April wird die US-Verbraucherpreise ab Juli aufpumpen, aber der volle Schaden wird erst ab September sichtbar sein", so Donovan. Für die Fed wird damit der Spielraum für Senkungen immer kleiner.
"Ausbruch in Wartestellung" - Stoxx-600 auf 570 Punkte
Etwas versöhnlicher blicken die Strategen von Barclays auf die zu erwartende Kursentwicklung nach Bekanntgabe der Zölle. Sie sehen derzeit einen "Ausbruch in Wartestellung". So sei die Wortwahl der Fed taubenhaft geworden, die Ölpreise kämen mit der Entspannung in Nahost zurück und Investoren seien risikobereit, aber vorsichtig. Sie hätten bislang nur das Kaufen von Dips bevorzugt.
"Auch dürfte der Hauptteil der Prognosesenkungen hinter uns liegen", sagt Europa-Chef-Stratege Emmanuel Cau mit Blick auf die Gewinnschätzungen: "Nach plus 9 Prozent im Januar stehen wir jetzt bei realistischen 3 Prozent." Dazu seien die Bewertungen vernünftig: Der Stoxx-600-dürfte daher auf neue Hochs ausbrechen und 570 Punkte zum Jahresende erreichen.
Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com
DJG/mod/cln
(END) Dow Jones Newswires
July 04, 2025 06:10 ET (10:10 GMT)
Copyright (c) 2025 Dow Jones & Company, Inc.