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Die Wolfsburger haben turbulente Tage hinter sich. Innerhalb kurzer Zeit ist der Personalvorstand Gunnar Kilian überraschend von seinem Posten verschwunden, während gleichzeitig eine neue Aufsichtsrätin das Ruder übernimmt. Was auf den ersten Blick wie normale Personalbewegungen aussieht, entpuppt sich als knallharter Machtkampf um die Zukunft des Konzerns. Die Aktie reagierte prompt mit Verlusten, wenn auch gering. Doch um was geht es wikrlich? Geht es nur um unterschiedliche Ansichten oder um viel mehr? Die Antworten könnten für Anleger entscheidend sein. Denn wer bei VW das Sagen hat, bestimmt auch, wohin die Reise geht. Und diese Reise könnte alles andere als ruhig verlaufen.
Kilian muss gehen - Betriebsrat zeigt Zähne
Der Rauswurf von Gunnar Kilian kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Offiziell sprechen die Wolfsburger von "unterschiedlichen Auffassungen bei der Steuerung von Beteiligungsgesellschaften". Doch die Realität sieht anders aus. Der Betriebsrat hatte dem 50-Jährigen das Vertrauen entzogen. Zu groß waren die Differenzen bei wichtigen Konzernthemen geworden. Besonders der Streit um die Tariffamilie hatte tiefe Gräben aufgerissen. Daniela Cavallo, die mächtige Konzernbetriebsratschefin, sprach von einem "historischen Tabubruch". Kilian galt als Architekt des Sparprogramms, das bis 2030 fast ein Viertel der deutschen Arbeitsplätze wegrationalisieren soll. 35.000 Stellen sollen abgebaut werden - ohne betriebsbedingte Kündigungen, aber dennoch ein harter Einschnitt. Der Personalvorstand hatte zwischen allen Stühlen gesessen. Einerseits musste er die Kostenziele des Managements umsetzen, andererseits die Interessen der Belegschaft vertreten. Diese Gratwanderung ist ihm zum Verhängnis geworden. Markenchef Thomas Schäfer übernimmt erst einmal kommissarisch die Personalführung. Eine dauerhafte Lösung ist noch nicht in Sicht. Also Unsicherheit, die die Börse überhaupt nicht mag.
Neue Aufsichtsrätin mit Rüstungsexpertise
Parallel zum Personalwechsel im Vorstand gibt es auch Bewegung im Aufsichtsrat. Marianne Heiß räumt ihren Platz für Susanne Wiegand. Die ehemalige RENK-Chefin bringt Erfahrung aus dem Rüstungsgeschäft mit und übernimmt sofort den Vorsitz des Prüfungsausschusses. Ein Signal, das aufhorchen lässt. Wiegand kennt sich mit harten Sanierungsmaßnahmen aus. Bei RENK hatte sie bewiesen, dass sie schwierige Transformationsprozesse durchziehen kann. Ihre Ernennung deutet darauf hin, dass VW auf stürmische Zeiten vorbereitet ist. Der Konzern braucht jemanden, der auch unpopuläre Entscheidungen treffen kann. Die Kombination aus Vorstandschaos und neuer Aufsichtsratshärte ist bemerkenswert. Hier könnte sich jemand systematisch auf schwierige Zeiten vorbereiten. Die Frage ist nur: Wie schwierig werden diese Zeiten wirklich?
Charttechnik
Die VW-Aktie notiert derzeit bei knapp 90,30 Euro und liegt damit rund 20 Prozent unter ihrem Jahreshoch bei 109,90 Euro aus Mitte März diesen Jahres. Der Kurs befindet sich aktuell in einem Seitwärtstrend zwischen 85 und 100 Euro. Die jüngsten Personalturbulenzen haben den Titel zusätzlich etwas belastet. Positiv ist aber, dass die Aktie noch immer auch etwas über 10 Prozent Puffer zum Mehrmonatstief bei 78,90 Euro aus Ende November 2024 hat. Die Unterstützung bei 80 Euro hält bisher mehrfach stand. Seit Jahresbeginn kann VW sogar ein kleineres Plus von um die 8 Prozent vorweisen. Die Deutsche Bank z. B. sieht mit einem Kursziel von 125 Euro noch 35 Euro Aufwärtspotential zum aktuellen Kurs - prozentual gesehen ist dies einiges. Besonders interessant ist bei der Analyse der Verweis auf die Luxusmarke Lamborghini. Die Italiener könnten nach Analystenschätzungen allein einen Firmenwert von über 15 Milliarden Euro erreichen. Das wäre fast ein Drittel der gesamten VW-Marktkapitalisierung. Derzeit ist es aber noch so, dass die VW Aktie im ungebrochenen Abwärtstrend steckt. Dies ist sowohl mittel- als auch langfristig, da die beiden wichtigen SMAs (50er und 200er) über dem aktuellen Kurs liegen. Dennoch fehlt aber nicht viel, dann könnte es zu einem sogenannten Golden Cross kommen. Dies wäre dann der Fall, wenn der 50er den 200er von unten nach oben schneidet. Dies könnte schon bei einem Anstieg auf ca. 95 Euro der Fall sein. Das wäre dann ein Kaufsignal und ein mögliches Anzeichen für eine Trendwende. Der RSI liegt aktuell bei neutralen 44 Punkten.
Was tun?
Die VW-Aktie befindet sich in einer "schwierigen Phase". Die Personalwechsel zeigen, dass der Konzern vor großen Herausforderungen steht. Gleichzeitig könnte genau diese Bereinigung neue Chancen eröffnen. Wer jetzt die Richtung bestimmt, prägt VW für die kommenden Jahre. Fundamental bleibt der Konzern solide aufgestellt. Die Markenvielfalt von Skoda bis Lamborghini bietet Stabilität. Besonders die Luxusmarken könnten sich vielversprechend entwickeln. Die Transformation zur Elektromobilität kommt voran, dennoch kostet sie Zeit und Geld. Charttechnisch bewegt sich die Aktie in einer neutralen Zone, könnte aber mit Bildung eines Golden Cross für eine Trendwende sorgen. Kursziel wäre dann eventuell das Analystenziel bei 125 Euro. Unserer Meinung ist VW ein möglicher vorsichtiger Kauf für mutige Anleger mit langem Atem. Die Bewertung ist recht fair, die Risiken sind wahrscheinlich ziemlich eingepreist. Wer auf die Stärke der deutschen Automobilindustrie setzt, findet in VW einen möglichen Kauf-Kandidaten.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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