Digitale Konten statt Papierkram und Filialbesuch: Wie Fintechs den Markt für Geschäftskonten umkrempeln
Der Geschäftskonto-Markt steht an einem Wendepunkt: Durch den Vormarsch neuer Technologien und Möglichkeiten verschieden sich auch die Bedürfnisse der Businesskunden. Gleichzeitig drängen immer mehr digitale Anbieter auf den Markt, die mit technischen Innovationen und kundenzentrierten Lösungen genau dieses Vakuum angreifen. Klassische Banken geraten immer mehr unter Druck, haben dank ihrer etablierten Services aber noch nicht ausgedient.
Die Frage ist, welche Modelle zukunftsfähig sind und Banken wie Fintechs weiterhin profitabel operieren lassen. Ein Blick auf die aktuelle Marktsituation gibt Aufschluss über zukünftige Entwicklungen sowie Chancen und Risiken heutiger Akteure.
Digitale Disruption: Fintechs erleben enormes Wachstum
Anbieter wie FINOM, FYRST, Kontist, Vivid oder Qonto haben sich längst im europäischen Markt für Geschäftskonten etablieren können. Die Erfolgsstrategie der Fintechs basiert auf einer radikalen Nutzerzentrierung: Sie setzen auf intuitive Benutzeroberfläche, transparente Preisstrukturen und voll digitalisierte Prozesse und bedienen so die Bedürfnisse der modernen Businesskunden. Eine digitale Kontoeröffnung in wenigen Minuten, automatisierte Buchhaltung, Rechnungsmanagement und nahtlose Integration in Tools wie DATEV oder Lexoffice sind bereits der neue Standard bei den Fintechs.
Diese klare Fokussierung auf die tatsächlichen Geschäftsbedürfnisse ist vor allem für Start-ups, Freelancer und kleinere Unternehmen attraktiv. Diese müssen durch das hohe Level an Funktionalität und Automation wesentlich weniger Ressourcen in Finanz- und Steueraufgaben investieren - und können sich so mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.
Mit Blick auf aktuelle Zahlen ist diese Entwicklung kein kurzfristiger Trend: Laut dem QED-BCG Global Fintech Report 2025 wuchs der Fintech-Sektor zuletzt um beeindruckende 21 %, während klassische Banken nur auf 6 % Wachstum kamen. Ein weiterer Faktor ist die Profitabilität:
- Bunq konnte eigenen Angaben zufolge im letzten Quartal 2022 als erste Neobank in der EU seinen ersten vorsteuerlichen Gewinn verzeichnen.
- Holvi folgte laut eigenem Pressebericht im Jahr 2023.
- Auch der europäische Marktführer Qonto ist laut Pressemitteilung seit 2023 profitabel und hat sich als neues Ziel gesetzt, bis 2030 zwei Millionen Kunden zu erreichen.
- Revolut legte erst kürzlich nach - mit 72 % mehr Umsatz und einem Gewinn von einer Milliarde Euro.
- Andere Fintechs verzeichnen ebenfalls starkes Wachstum: So erhielt FINOM in der jüngsten C-Finanzierungsrunde 115 Millionen Euro und visiert bis Ende 2026 eine Million Geschäftskunden an.
Möglich machen das eine Fokussierung auf den KMU-Sektor, weniger Personal, viele automatisierte Prozesse sowie steigende (Premium-)Kundenzahlen. Laut coinlaw.io verfügen digitale Geschäftskonten daher über geringere Overhead-Kosten und sind im Schnitt 45-55 % günstiger als Filialbanken - ein wichtiges Entscheidungskriterium für Selbstständige und Kleinunternehmer.
Veränderte Anforderungen der Unternehmerkunden an Banken
Die neue Generation von Unternehmern ist technikaffin, mobil und arbeitet großteils digital. Daher werden digitalisierte Prozesse, Self-Service und eine Skalierbarkeit an die eigenen Bedürfnisse präferiert. Im Gegensatz dazu fallen das papierbasierte Onboarding, die persönliche Vor-Ort-Beratung sowie die starren Produktstrukturen klassischer Banken immer mehr aus dem Rahmen. Ein Hauptgrund für den Wechsel von Unternehmen zu einem Fintech bleibt aber die bessere Kosteneffizienz: Weniger Gebühren, teilweise um 90 % günstigere und vor allem transparente Tarife und schnellere sowie intuitive Prozesse.
Für Geschäftskunden ist der Preis längst nicht mehr das alleinige Entscheidungskriterium - das bestätigt auch Alessia Pewnew von Geschaeftskonten24.net: "Moderne Business-Konten müssen mehr leisten als nur klassisches Banking. Sie sollen die gesamte Finanz- und Buchhaltungsstruktur eines Unternehmens abbilden.":
- Neben einer bestenfalls taggleichen Kontoeröffnung eine intuitive Bedingung für einen rund-um-die-Uhr Self-Service
- Zugriff für mehrere Personen (z. B. zwei Gesellschafter, Geschäftsführer, Steuerberater etc.) sowie eigene (Team-)Karten und mit Zugriffsverwaltung auf mehreren Rollenebenen
- Integrierte automatisierte Funktionen, wie Buchhaltung, Rechnungs- und Belegerfassung und Steuerfunktionen (EÜR, USt-Voranmeldung etc.) oder nahtlose Synchronisation von Eingangs- und Ausgangsrechnungen mit Zahlungseingängen
- API-Anbindung von Buchhaltungssoftware (sevDesk, DATEV, Lexoffice) oder ERP-Systemen (SAP), sowie Anbindung an Tools wie WooCommerce oder Billbee
- Möglichkeit zur Kreditlinie, Leasing oder Finanzierung auf Basis der eigenen Kontodaten (Embedded Banking)
- KI-gestützte Analyse und Verarbeitung eingehender Daten (Kategorisierung und Zuordnung von Buchungen, Rechnungen etc.)
Der Fokus der Kunden liegt klar auf digitalen, modularen Lösungen. Klassische Kontonutzungen wie Finanzberatungen in der Filiale, aufwendige Legitimationen, Papierüberweisungen oder eine Offline-Buchführung werden hingegen zunehmend obsolet.
Auch das Verhältnis zum Bargeld hat sich bei Unternehmen gewandelt: War Bargeld früher vor allem im Einzelhandel und der Gastronomie von zentraler Bedeutung, dominieren heute selbst in bargeldnahen Branchen zunehmend digitale Zahlungsarten - etwa durch Kartenlesegeräte, POS-Systeme oder Mobile Payments. Dementsprechend sinkt die Zahl der Geschäftskunden mit Bartransaktionen - laut Deutscher Bundesbank von 45 % im Jahr 2015 auf unter 20 % im Jahr 2024 -, weshalb Fintechs bewusst auf teure Bargelddienstleistungen verzichten.
Gesetzesänderungen ebnen Weg in die Zukunft
Auch regulatorische Änderungen insbesondere auf EU-Ebene besitzen großen Impakt auf aktuelle Entwicklung im Geschäftskonto-Markt. Sie sorgen für einheitliche Umsetzungen, fördern die Nutzerzentrierung und können so Innovationstreiber sein.
Ein Beispiel ist das Geldwäschegesetz, welches nicht nur KYC-Prozesse (Know Your Customer) stark verschärfte, sondern seit 2017 offiziell auch VideoIdent und eID-Identifizierung unter starker Regulierung erlaubt. Seitdem werden diese von fast allen Neobanken angeboten. Eine aktuelle Überarbeitung von eIDAS soll zudem EU-einheitliche Wallets einführen.
PSD2 und PSD3 sorgen nicht nur für komplexere Sicherheitsauflagen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass Banken Schnittstellen für Drittanbieter (z. B. Buchhaltungssoftware) öffnen müssen. PSD3 sorgt dabei demnächst für Mindeststandards für APIs und EU-einheitliche Lizenzen für Drittanbieter. Auch das Open Finance erhält bald Grundlagen für ein erstes Framework. Dadurch wird der Zugang für Nichtbanken erleichtert, was wiederum ein Booster zur allgemeinen Nutzung für Embedded Finance und Plattform-Banking ist.
Weniger bekannt, aber nicht weniger wichtig: Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG). Seit dem 1. August 2022 ermöglicht das DiRUG eine Gründung einer GmbH oder UG vollständig online mit elektronischer Notarsitzung. Die Kontoeröffnung wird dadurch leichter, da der Kapitalnachweis digital möglich ist. Ein gängiges Fintech-Angebot ist nur dadurch möglich: Gründung und Konto aus einer Hand (etwa bei FYRST oder Qonto).
Erfolgreiches Banking wird Plattform-basiert
Die Entwicklung scheint eindeutig: Das Geschäftskonto dient nicht mehr nur der reinen Kontoabwicklung, sondern vielmehr als Finanzplattform - über Partnerlösungen oder eigene Module. Bei diesem Banking-as-a-Service dominiert die nahtlose Integration von Funktionen direkt im Banking-Interface. Dazu zählen etwa:
- Kredite beantragen (auf Basis von Kontodaten),
- Versicherungen abschließen,
- Steuervorauszahlungen tätigen,
- Factoring durchführen.
Man spricht auch von "Embedded Banking" Geschäftskonten werden zum Knotenpunkt für weitere Finanzdienstleistungen, die sofort auf Basis der eigenen Kontodaten abgewickelt werden. Laut einer Studie von McKinsey wächst dieser Sektor im Bankensegment besonders rasant, nicht zuletzt durch die verstärkte Nutzung des Mobile Bankings via Smartphone, welche allein zwischen den Jahren 2019 und 2023 um 127 % zunahm.
Klassische Banken versuchen, in diesem Spiel mitzumischen, etwa durch Kooperationen mit Fintechs oder eigenen digitalen Töchtern. Doch oft fehlt es an Geschwindigkeit, technologischem Fokus oder der Bereitschaft, sich wirklich radikal zu verändern.
Digitale Transformation: Risiken, aber auch Chancen für Traditionsbanken
Filialbanken stehen unter enormen Druck. Doch Joachim Schmalzl vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband betont: "Fintechs sind ein Weckruf für die Innovationskraft des Finanzsektors." Dies bestätigt auch die McKinsey-Studie, nach der das Banking aktuell eine fundamentale Restrukturierung erlebt: Wer überleben will, muss neue Lösungen für die spezifischen Bedürfnisse der Geschäftskunden entwickeln. Klassische Banken müssen für eine positive Transformation alte Strukturen hinterfragen, neue Technologien wirklich und nicht nur kosmetisch nutzen und wieder mehr auf Geschäftskunden konzentrieren.
Doch Filialbanken punkten auch mit eigenen Stärken - etwa bei komplexen Finanzierungslösungen, in regulatorischen Fragen oder im Umgang mit etablierten Unternehmenskunden. Einige Fintechs bieten hier (noch) keine vollständige Lösung. Auch ein erhöhtes Vertrauen und Sicherheit überzeugen Unternehmen bisher.
Entscheidend für klassische Banken wird sein, sich als hybride Akteure mit digitalem und lokalem Knowhow zu behaupten. Einige Regionalbanken investieren in Open Banking, nutzen Cloud-Infrastrukturen und API-Finanzierungslösungen, um auf Augenhöhe mit Fintechs zu agieren. Diese bleiben aber eher Einzelfälle, wie Christoph Stegmeier von Simon-Kucher analysiert. Deutsche Banken und Sparkassen seien - im Gegensatz zu ihren ausländischen Kollegen - kaum mit eigenen smarten Angeboten am Markt vertreten.
Zukunft des Business-Bankings: Erste Gewinner zeichnen sich ab
Einer Untersuchung von McKinsey zufolge wächst der Fintech-Markt bis 2028 fast dreimal so stark wie der klassische Banking-Sektor. Auch ein Blick auf aktuelle Kennzahlen bestätigt diese Analyse:
- Qonto bedient heute laut eigenen Angaben über 500.000 Unternehmen (hauptsächlich KMUs) in Europa und expandierte durch die Übernahme von Penta tief in den deutschen Markt. Durch die angestrebte Expansion nach Belgien, Niederlanden, Portugal und Italien wird der Ausbau zum Pan Europa-Anbieter weiter angetrieben. Das gesteckte Ziel des französischen Fintechs: 2 Millionen Geschäftskunden bis 2030.
- Das Berliner Fintech Vivid stellte sich Anfang 2025 neu auf und konzentriert sich seither auf den Geschäftskundenbereich, ohne die Privatkunden zu reduzieren. Dadurch gewinnt Vivid monatlich bis zu 4.500 neue Geschäftskunden und ist damit auf insgesamt 50.000 Businesskunden gewachsen. Man will bald auch in Italien und Spanien mit lokalen IBANs wachsen und greift in diesem Jahr auch den französischen Markt an. Ziel bis Ende des dritten Quartals: 75.000 Geschäftskunden.
- Nachdem bei N26 Ende 2021 die durch die BaFin verordnete monatliche Deckelung von Neukunden durch Probleme mit dem Geldwäschegesetz wieder aufgehoben wurde, schnellte die monatliche Neuanmeldung auf bis zu 250.000 und erreichte Ende 2024 4,8 Millionen aktive Geschäftskunden.
- Und auch die ING Deutschland steigerte Geschäftskundenzahl in nur einem Jahr um 10.000 auf 13.000 in 2024.
Fazit
Geschäftskonten entwickeln sich mehr und mehr zu digitalen Hubs für das Finanzmanagement, wobei Fintechs dominieren, wenn es um Schnelligkeit, Integration und Nutzererlebnis geht. Klassische Banken verlieren spürbar Marktanteile, ihre Stärke liegt aber weiterhin bei komplexen Firmen- und Finanzstrukturen. Ihre Zukunft wird maßgeblich von der Fähigkeit bestimmt, hybride Modelle auf dem Markt zu etablieren.
Der Schlüssel zum Erfolg scheint aber eindeutig: Offene Plattformen, Digitalisierung, Web APIs und klarer Fokus auf Unternehmenskunden. Die Frage dabei bleibt aber, wer Vertrauen, Stabilität und regulatorische Kompetenz mit Zukunftsfähigkeit verbinden kann.
Enthaltene Werte: DE0009653386
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