DJ MARKT-AUSBLICK/Nur ein regelrechter Zoll-Hammer kann die DAX-Hausse stoppen
Von Herbert Rude
DOW JONES--Die Lage am deutschen Aktienmarkt bleibt günstig. Die liquiditäts- und zinsgetriebene Hausse setzt sich aller Voraussicht nach fort. Selbst die vielen Gewinnwarnungen aus den zyklischen Sektoren wie der Chemie-, Maschinenbau- oder Stahlindustrie können den DAX nicht aufhalten. Die Marktteilnehmer schauen sozusagen durch die aktuelle Konjunkturschwäche hindurch in das kommende Jahr in der Erwartung, die gelockerte Geldpolitik und die Konjunkturprogramme sollten dann für einen konjunkturellen Aufschwung mit kräftig steigenden Gewinnen sorgen.
In diesem sehr wahrscheinlichen Szenario würde irgendwann um die Jahreswende der Übergang von der liquiditäts- in die gewinnorientierte Hausse-Phase einsetzen. Im Normalfall verflüchtigt sich dann sehr schnell die Zinssenkungsfantasie. Da diese dann aber in den USA voraussichtlich weiter andauert und der dann weiter steigende Euro auf die Inflation drückt, könnte sich trotzdem auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) weiter ausweiten. In einem Aufschwung dürften die Gewinnerwartungen schnell um 10 bis 20 Prozent steigen, und bei einem KGV um 17 wäre das DAX-Potenzial weiterhin groß. Deshalb ist der DAX auf dem Weg zur 30.000er Marke, und bei 30.000 dürfte noch lange nicht Schluss sein. 30.000 oder mehr mag sehr optimistisch klingen. Wie realistisch das dennoch ist, zeigt aber der Kurs-DAX, der keine Dividenden beinhaltet. Er ist seit dem Zwischenhoch zur Jahrtausende nur um etwa 40 Prozent gestiegen und hängt der Preisentwicklung in der Realwirtschaft weit hinterher. Der Dow Jones, der ebenfalls keine Dividenden beinhaltet, hat sich in der gleichen Zeit etwa vervierfacht.
Das mit Abstand größte Risiko für die äußerst günstigen DAX-Perspektiven kommt weiterhin vom Zollstreit. Ein negativer Ausgang könnte zumindest einen deutlichen Rücksetzer auslösen. Positiv ist hier, dass die Skepsis bei den Anlegern laut der jüngsten Umfrage der Deutschen Börse zum Sentiment bereits sehr hoch ist. Besonders die Institutionellen sind scharenweise ins Lager der Bären gewechselt, die nun sowohl bei den Privaten als auch den Institutionellen klar in der Mehrheit sind. Damit dürften sich viele zittrige Hände bereits aus dem Markt verabschiedet oder ihre Positionen abgesichert haben. Es müsste also schon ein regelrechter Hammer von den Zöllen kommen, damit ein deutlicher und nachhaltiger Rückschlag einsetzt.
Ergebnisse der Zollverhandlungen können jederzeit kommen, möglicherweise schon an diesem Wochenende. Dann finden auch Wahlen in Japan statt. Sollte die derzeitige Opposition im Anschluss eine Senkung der Mehrwertsteuer durchsetzen, könnte Japan vor einem ähnlichen Szenario sehen wie die USA: Die Inflation würde dann zwar mit der Mehrwertsteuer zurückgehen, die Anleihenrenditen dürften aber mit den fallenden Steuereinnahmen trotzdem steigen. Am Montag kann der Markt noch nicht auf das Wahlergebnis reagieren, die Börse in Tokio bleibt dann wegen eines Feiertags geschlossen.
Die EZB tagt am Donnerstag ohne Zinssenkungsfantasie. Am Donnerstag werden auch neue Daten zu den Einkaufsmanagerindizes veröffentlicht. Der kombinierte PMI soll sich in Deutschland leicht verbessert, in der Eurozone geringfügig verschlechtert haben. Nach Deutschland kommt nun Frankreich einfach nicht auf die Beine. Einen deutlicheren Anstieg soll am Freitag der deutsche ifo-Geschäftsklima-Index zeigen. Am Freitagnachmittag runden dann die US-Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter den Datenkranz der kommenden Woche ab.
Daneben steht weiterhin die Berichtssaison im Blick. Am Dienstagmorgen legt Sartorius die Zahlen auf den Tisch, am Dienstagabend SAP, am Donnerstag folgen die Deutsche Bank und MTU sowie abends die Deutsche Börse. Am Freitag gibt es dann noch Zahlen von VW. Aus Europa kommen unter anderem Zahlen von Ryanair, vom Unicredit, Givaudan, der BNP, von Iberdrola und Vivendi sowie Nestle, LVMH, Roche und STMicro. In den Zahlen von Julius Bär wird sich zeigen, ob der Benko-Schrecken abgearbeitet ist. Aus den USA kommen Zwischenberichte unter anderem von IBM, GM, Coca-Cola, Philip Morris, Lockheed Martin, Texas Instruments, Alphabet und Intel. Für die Aktionäre der Deutschen Telekom dürfte besonders der Bericht von T-Mobile US am Mittwochabend relevant sein.
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July 18, 2025 06:45 ET (10:45 GMT)
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